Seit dem Start der Währungsunion am 1. Januar 1999 ist die Europäische Zentralbank (EZB) für die Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet zuständig.
Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und ist der Kopf des Europäischen Systems der Zentralbanken (EZBS).
Das EZBS umfasst die EZB und die nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten. Diese Zugehörigkeit ist unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben oder nicht. Geregelt ist dies im EG-Vertrag Art. 107 Absatz 1.
Abzugrenzen ist hiervon das Eurosystem: Dies besteht aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Länder, die den Euro eingeführt haben, also Mitglied im europäischen Währungsraum sind.
Solange noch nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben, werden das Eurosystem und das EZBS nebeneinander bestehen.
Aufgaben und Ziele
1. Hauptziel: Wahrung der Preisniveaustabilität
Hierbei gilt es große Schwankungen zu vermeiden. Die Zielgröße ist dabei die Inflationsrate. Es gilt im Durchschnitt eine Inflationsrate von knapp unter 2 % zu erreichen. Wichtig ist hierbei, dass von durchschnittlichen Werten gesprochen wird. Als vom Durchschnitt der im System befindlichen Länder. Anders formuliert: Nicht alle Länder müssen eine Inflation von 2 % haben. Manche Länder können eine höhere oder niedrigere Inflation besitzen.
2. Nebenziel: Unterstützung einer ausgeglichenen konjunkturellen Entwicklung
Dieses Nebenziel der Geldpolitik hat den Zweck eine Rezession im System zu vermeiden. Die konjunkturelle Entwicklung wird an der Auslastung der Kapazitäten einer Volkswirtschaft gemessen. Über die Veränderung des Leitzinses nimmt die EZB Einfluss auf die Wirtschaft, indem sie hiermit den Preis für den Verleih von Geld verändert.
Andererseits hat dies auch Auswirkungen auf die Inflation. Aufgrund dieser Doppelfunktion der Leitzinsen ist es wichtig, dass die zwei Ziele eine Rangfolge besitzen. Zinsänderungen haben immer zuerst das Ziel der Preisniveaustabilität im Blick. Erst an zweiter Stelle wirken sie auf die konjunkturelle Entwicklung ein.
Aufgaben der EZB
Die Aufgaben der EZB sind in Art. 105 des EG-Vertrags bzw. in Art. 127 AEUV und im Statut des EZBS festgelegt:
Die wichtigste Aufgabe besteht in der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik
Außerdem:
- Durchführung von Devisengeschäften
- Management der Währungsreserven
- Versorgung mit Geld
- Gewährleistung eines reibungslosen Zahlungsverkehrs
- Sammlung und Aufbereitung statistischer Daten
- Wirtschaftsforschung
- Koordinierung der Bankenaufsicht und ggf. die Ausführung dieser Aufsicht
Aufbau
Das EZBS besitzt einen föderalen Aufbau und orientiert sich stark am früheren deutschen Bankensystem. Die EZB entspricht als Leitungsorgan der Bundesbank und die nationalen Notenbanken den deutschen Landeszentralbanken.
Insofern hat auch nach der Euro-Einführung die Bundesbank ihre Berechtigung.
EZB-Direktorium
Das Direktorium führt die Geschäfte der EZB und kümmert sich außerdem um die Durchführung der Beschlüsse des EZB-Rates und gibt dazu nötige Anweisungen an die Nationalen Zentralbanken weiter, die die Beschlüsse umsetzen müssen. Das Gremium setzt sich aus dem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern zusammen. Die Amtszeit eines Direktoriumsmitglieds beträgt acht Jahre; eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Hierdurch wird die personelle Unabhängigkeit der Zentralbank gewährleistet. Die Länge der ersten Amtszeiten war gestaffelt, um zu vermeiden, dass alle Mitglieder gleichzeitig ausscheiden.
EZB-Rat
Ihm gehören alle Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der Zentralbanken der Euro-Länder an. Der EZB-Rat ist das oberste Beschlussorgan der Zentralbank und trifft die meisten Entscheidungen mit einfacher Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder. Er tagt zweimal pro Monat.
Zu seinen Aufgaben gehört die Festlegung
- der Richtlinien der Geldpolitik
- der Leitzinssätze
- und die Bereitstellung von Zentralbankgeld.
Erweiterter Rat der EZB
Der erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten der EZB, dem Vizepräsidenten und den Präsidenten ALLER Notenbanken der momentan 28 EU-Mitgliedstaaten. Er berät über die Aufnahme weiterer Mitglieder und wirkt bei der Erhebung statistischer Daten mit. Er tagt einmal pro Quartal. Der erweiterte Rat wird solange existieren, wie noch nicht alle EU-Mitglieder den Euro eingeführt haben.
Instrumente
1. Offenmarktgeschäfte
Unter Offenmarktgeschäften versteht man den An- oder Verkauf bestimmter Wertpapiere durch die Zentralbank. Hiermit steuert die EZB die Geldmenge.
2. Ständige Fazilitäten
Der Begriff Fazilität bezeichnet alle Kreditmöglichkeiten, die einem Kunden zur Deckung seines Kapitalbedarfs zur Verfügung stehen. Im Mit ständigen Fazilitäten bietet die EZB den Geschäftsbanken die Möglichkeit Liquiditätsengpässe oder –überschüsse auszugleichen.
3. Devisenmarktinterventionen
Die Steuerung der Geldmenge über den Devisenmarkt. Je nach Konjunkturlage kann sie eine expansive oder kontraktive Geldpolitik verfolgen.
4. Mindestreserve
Die Mindestreserve ist das minimale Guthaben, das Kreditinsitute der EZB auf Girokonten einstellen müssen.
Europäische Zentralbank und Unabhängigkeit
Laut Art. 108 EG-Vertrag besitzt das ESZB einen unabhängigen Status. Weder die EZB noch die nationalen Notenbanken dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Weisen der Gemeinschaft, Staaten und Regierungen oder anderen Institutionen einholen oder entgegennehmen. Die Anforderungen der notwendigen Unabhängigkeit teilt man in 5 Gruppen ein, wobei die operative und funktionelle Unabhängigkeit in der Regel zusammenfasst werden.
1. Operative und funktionelle Unabhängigkeit
Die EZB ist hinsichtlich ihrer Methode, mit der sie ihre Ziele erreicht in ihrer Entscheidung unabhängig. Allerdings besteht die operative Unabhängigkeit nur für die Durchführung des Ziels. Denn sie ist auf das Ziel der angemessenen Inflationsrate vertraglich festgelegt. Insofern ist sie nicht vollständig unabhängig. Zudem gibt es Einschränkungen bei der Wahl der Instrumente zum Wechselkurs. Denn die Wechselkurskompetenz liegt vertraglich beim Ecofin-Rat (der Politik, Art. 111 EG-Vertrag). Auch hierdurch kann es zu Problemen bei der Realisierung der Unabhängigkeit der EZB kommen.
2. Institutionelle Unabhängigkeit
Sie bedeutet, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken keine Weisungen aus der Politik erhalten dürfen. So wurde im Vertrag von Maastricht festgelegt, dass den öffentlichen Haushalten (Staat) keine Kredite zu gewähren sind. Damit darf die EZB nicht die Defizite im Haushalt der Gemeinschaft oder eines Mitgliedslandes finanzieren. Allerdings kaufte die EZB während der Eurokrise von Banken die Staatsanleihen mehrerer Mitgliedstaaten auf. Dieses Verhalten hatte einen erheblichen Vertrauensverlust in die institutionelle Unabhängigkeit der EZB zur Folge.
3. Finanzielle Unabhängigkeit
Die EZB hat einen eigenen Haushalt und kann selber über den Einsatz ihrer Mittel entscheiden. Diese Mittel stammen von den Mitgliedsländern. Ihre Höhe richtet sich zur Hälfte nach der Bevölkerungszahl und zur Hälfte nach der Höhe des Bruttoinlandsproduktes. Der Anteil der deutschen Bundesbank beträgt etwa 20% am Haushalt. Sowohl die Verlust- als auch die Gewinnverteilung der EZB richtet sich nach den Mittelanteilen.
4. Personelle Unabhängigkeit
Die Mitglieder des EZB-Rates und des Direktoriums können nicht über kurze Vertragslaufzeiten oder mögliche Abberufungen unter Druck gesetzt werden. Sie arbeiten hauptamtlich und müssen anerkannte Persönlichkeiten aus dem geldpolitischen Umfeld sein. Außerdem erfolgt keine Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse und keine strukturierte Analyse von Zielverfehlungen. Letzteres mag auf den ersten Blick kontraproduktiv erscheinen. Doch bestünde in diesem Fall die Gefahr, dass der erfolgende politische Druck von Seiten der Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der EZB gefährdet.
Wie misst man Unabhängigkeit?
Warum ist Unabhängigkeit notwendig?
Das ausschlaggebende Argument für die Unabhängigkeit der EZB (oder allgemein Zentralbanken) liegt darin, dass hierdurch den Kreditwünschen des Staates und einer unkontrollierten Geldschöpfung entgegengewirkt werden kann, also hohe Inflationsraten verhindert werden.
Zweitens werden durch die Unabhängigkeit Entscheidungsprozeduren verkürzt und eine Vermischung mit der kurzfristigen Tagespolitik unterbleibt.
Drittens werden Notenbanker nicht gewählt bzw. wiedergewählt. Sie müssen daher nicht wie Politiker Wahlgeschenke verteilen. Weniger provokativ formuliert: Politiker haben vor einer Wahl oft den Anreiz durch politische Maßnahmen die Konjunktur anzukurbeln um ihre Wahlchancen zu verbessern. Dies geht in der Regel zu Lasten der Preisniveaustabilität.
Rechenschaftspflicht und Transparenz
Gemäß dem EU-Vertrag (Art. 284 Absatz 3) ist die EZB dem EU-Parlament gegenüber Rechenschaft schuldig. Dies erklärt sich daraus, dass das Parlament die Vertretung der EU-Bürger darstellt.
Darüberhinaus hat die EZB in ihrer Satzung (Art. 15 Absatz 3) festgelegt, dass sie dem Rat der EU berichtet. D.h. neben den EU-Bürgern legt sie zusätzlich auch den Mitgliedstaaten gegenüber Rechenschaft ab.
Dies sind die wichtigsten Formen der Rechenschaftspflicht:
Anhörungen und Aussprachen: Alle drei Monate nimmt der EZB-Präsident an Anhörungen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Parlamentes teil. Auch Mitglieder des Direktrorium nehmen teil, um Beschlüsse der EZB zu bestimmten Themen zu erläutern.
Schriftliche Fragen: Die Mitglieder des EU-Parlamentes können der EZV schriftliche Fragen stellen.
Jahresbericht: Die EZB legt dem Europäischen Parlament, dem Rat der EU, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat einen Jahresbericht über ihre Aufgaben, die Tätigkeit des ESZB und die Geldpolitik des Eurosystems vor. Im EU-Parlament beraumt der Ausschuss für Wirtschaft und Währung hierfür eine eigene Sitzung ein.
Weitere Informationskanäle
Über die vertraglichen Anforderungen hinaus bedient sich die EZB einer Reihe weiterer Maßnahmen, um vor allem die europäische Öffentlichkeit über ihre Beschlüsse zu informieren. Hierzu gehören:
Wirtschaftsbericht: Acht Mal pro Jahr wird dieser Bericht zwei Wochen nach einer geldpolitischen Sitzung veröffentlicht. Er gibt einen Überblick, über die Kennziffern, die als Grundlage für die Beschlüsse des EZB-Rats dienen.
Konsolidierter Wochenausweis: Er liefert Informationen zum geldpolitischen Instrumentarium.
Pressekonferenzen: Alle sechs Wochen findet eine Pressekonferenz im Anschluss an die geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rates statt. Hier werden die Entscheidungen zu den Leitzinsen vorgestellt.
Zusammenfassung der geldpolitischen Sitzungen: Vier Wochen nach jeder geldpolitischen Sitzung wird eine Zusammenfassung der Erörterungen des EZB-Rats veröffentlicht.
Artikel, Interviews und Reden: Alle Veröffentlichungen der Direktoriumsmitglieder erscheinen auf der Internetseite der EZB.