Aktualisiert: 2. März 2023

Von Schengen zum Europa ohne Grenzen

Lesezeit:  Minuten

Das Schengen-Abkommen steht für Europa ohne Grenzen. Aber ein Raum ohne Grenzen ist immer im Gefahr geschlossen zu werden. Nicht zuletzt im Zuge der Flüchtlingskrise zum Jahreswechsel 2015/2016. Was aber sind die Ziele, Entwicklung und Regelungen des Schengen-Abkommens? Ein Überblick, um in der aktuellen Diskussion mitreden zu können.

Hauptziel des Schengener-Abkommens (1985 und 1990) war die Abschaffung der Personen- und (Waren) Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der beteiligten Länder. Obgleich das Abkommen zwischenstaatlich entstanden ist, war es ein wesentlicher Bestandteil zur Errichtung des Europäischen Binnenmarktes im Jahr 1990. Wirtschaftliche Gründe standen damit im Vordergrund für diese Freizügigkeit.

Im Gegenzug sollte mit der Abschaffung der Grenzkontrollen eine verstärkte Kontrolle der Außengrenzen verbunden werden, um illegale Einwanderung oder internationale Verbrechen zu verhindern. Hierzu wurde eine stärkere Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden vereinbart.

Diese Zusammenarbeit bildet die dritte Säule im Vertrag von Maastricht 1992/1993 zur Gründung der Europäischen Union. Im Vertrag von Amsterdam (1997) bekam sie schließlich ein gesamtes Kapitel gewidmet und wurde somit in Gemeinschaftsrecht übernommen.

Kernpunkte des Schengen-Abkommens sind:

  • die Abschaffung von Personenkontrollen an den Grenzen zwischen den Ländern des Schengenraumes
  • gemeinsame Regeln für die Kontrollen an den Außengrenzen
  • eine gemeinsame Visa-Politik
  • eine verstärkte Zusammenarbeit von Polizei und Justiz, die den Wegfall der Grenzkontrollen erst möglich machte.
Die Mitglieder im Schengen-Abkommen

Quelle: ARD-Tagesschau (https://www.tagesschau.de/ausland/schengen-117.html)

Von den übrigen nicht beigetretenen 6 EU-Mitgliedsstaaten wenden Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien das Schengen-Abkommen teilweise an. Der Beitritt Zyperns zu Schengen hängt von der Lösung des Zypern-Konfliktes ab.Bulgarien und Rumänien erfüllen nach Ansicht der EU-Kommission bislang noch nicht alle Voraussetzungen für einen Beitritt zum Schengenraum. Großbritannien und Irland wenden bis heute Grenzkontrollen an und erteilen keine Schengen-Visa. Sie beteiligen sich jedoch an der verstärkten Zusammenarbeit von Justiz und Polizei.

Dadurch, dass nicht alle Mitglieder der EU Mitglieder des Schengen-Raumes sind, insbesondere Großbrittanien und Irland, müssen EU Bürger/Innen einen gültigen Reisepass oder Personalausweis bei Reisen in die 6 EU-Nicht-Mitglieder oder in Drittstaaten mit sich führen. Generell gilt aber in allen EU-Staaten die Ausweispflicht, so dass man immer ein gültiges Ausweisdokument auf Reisen mit sich führen sollte.

Das die Errungenschaften des Abkommens immer wieder angezweifelt werden und ein Europa ohne Grenzen keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt beispielhaft die Artikelsammlung der Zeit zu dem Thema: Die gesammelten Artikel der letzten 10 Jahre offenbaren wie fragil dieses Symbol Europas gegenüber Krisen ist.

Ausnahmen: Wann sind Grenzkontrollen erlaubt?

Der sogenannte „Schengener-Grenzkodex“ (EG 562/2006) regelt den Grenzübetritt an den Binnen- und Außengrenzen des Schengen-Raumes.

Artikel 23-29 bildet hierbei die „Schutzklauseln, wann vorübergehende Grenzkontrollen wieder eingeführt werden dürfen und dabei verfahren wird:

Art. 23 erlaubt die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit für höchstens 30 Tage, in Ausnahmefällen auch länger.

Öffentliche Großverantaltungen, wie die Fußball-Weltmeisterschaft oder Gipfeltreffen, wo Ausschreitungen befürchtet werden, sind Beispiele für eine zeitweise Aussetzung der Schengen-Regeln.

Aktuell

Seit 2011/2012 ist eine Reformdebatte über das Abkommen im Gange, da von EU-Mitgliedsstaaten vermehrt Gebrauch von der Schutzklausel gemacht wurde und wird.

Hintergrund hierfür sind die sich immer weiter verstärkten Migrationsströme in die EU infolge des Arabischen Frühlings. 2013 haben die Länder des Schengen-Raums deshalb eine weitere Ausnahme beschlossen. Danach können nationale Grenzen bis zu einer Dauer von höchstens zwei Jahren wieder kontrolliert werden.

Voraussetzung hierfür ist, dass das Funktionieren des Schengen-Raums gefährdet ist, weil außergewöhnliche Umstände vorliegen und die Schengen-Außengrenze durch eines der Mitgliedsländer trotz EU-Unterstützung nicht wirksam geschützt wird.

In der aktuellen Diskussion zeigt sich, dass die Meinungen auseindergehen können, ab wann eine Gefährdung des Schengen-Raumes vorliegt. Insbesondere da momentan die Anwendung dieser Regel oftmals auch sehr stark von nationalstaatlichen Interessen dominiert ist.

Es bleibt zu hoffen, dass bei der Anwendung der Schengen-Regeln in naher Zukunft wieder ein Europäischer Ansatz dominiert. Erste Ansätze dafür werden zumindest von der EU-Kommission verfolgt, dass bis Ende 2016 wieder alle zwischenstaatlichen Grenzkontrollen abgeschafft sind.

Für die Zukunft der EU als Wertegemeinschaft ist dies zu wünschen.

Über die Autorin: 

Nadine Behncke

Promovierte Volkswirtin und überzeugte Europäerin. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Herausforderungen der EU mit ihren Auswirkungen und Folgen auf Deutschland und seine Bevölkerung. Sie schreibt auf Think About zu Politik, Wirtschaft & Geschichte in Europa, um Wissen zu vermehren und zur Diskussion beizutragen.


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