Aktualisiert: 22. August 2023

Homo Oeconomicus: Eigenschaften, Kritik und Bedeutung in der VWL

Lesezeit:  Minuten

Der Homo Oeconomicus ist das grundlegende Verhaltensmodell in der VWL. In diesem Artikel erläutern wir euch seine Bedeutung, die Eigenschaften, Kritik und Vorteile. 

Definition Homo Oeconomicus einfach erklärt

Homo Oeconomicus: Grundlegendes Modell über das Verhalten von Wirtschaftssubjekten in den Wirtschaftswissenschaften. Der Homo Oeconomicus ist ein rationaler Nutzenmaximierer. Die Verhaltensannahmen des Homo Oeconomicus werden genutzt, um wirtschaftliche Zusammenhänge erklären zu können. Außerdem stellt er die Grundlage für die Wirtschaftsmodelle der Klassik und Neoklassik dar. Die Annahmen des Homo Oeconomicus werden oft als realitätsfern betitelt und sind Gegenstand diverser Forschungen, insbesondere in der Verhaltensökonomie.

Das Modell wird verwendet, um grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären. Es behandelt wirtschaftliche Akteure, die über mehrere Alternativen hinweg eine klare Präferenzordnung bilden können. Und hierüber dann diejenige Alternative auswählen, die ihnen persönlich den größten Nutzen stiftet. Die intrinsische Motivation für die Präferenzen ist dabei unerheblich.

In der Mikroökonomie stellt man die Entscheidung des Homo Oeconomicus über die Maximierung einer Nutzenfunktion dar. Zu beachten ist, dass trotz der Fokussierung, auch Unternehmen Wirtschaftsakteure darstellen und damit „einen aggregierten Homo Oeconomicus“. Ihr Optimierungsproblem wird über die Minimierung einer Kostenfunktion dargestellt.

Am prominentesten ist die Rolle des Homo Oeconomicus in der Mikroökonomie. Man findet ihn aber auch in der Makroökonomie, dort z. B. bei intertemporalen Konsumentscheidungen. Entscheidungen über einen längeren Zeithorizont. Oder auch in der Arbeitsökonomie, wie z. B. der Philips-Kurve, um den Zusammenhang zwischen Inflation und Beschäftigung zu untersuchen. Auch in anderen Nachbarwissenschaften nutzt man den Homo Oeconomicus. Z.b. in der Politikwissenschaft und der Neuen Politischen Ökonomie. Oder in der Geografie wendet man ihn bei den Thünenschen Ringen an. 

Hintergrund und geschichtliche Einordnung

Der Homo Oeconomicus stellt das idealtypische Menschenbild der Klassik und Neoklassik dar. Auch wenn es ein volkswirtschaftliches Verhaltensmodell ist, wurde es auch in der BWL durch die Arbeiten von Erich Gutenberg ansatzweise genutzt. 

Das Konzept des Homo Oeconomicus lässt sich auf John Stuart Mill zurückführen. 1843 veröffentlichte er sein „System der deductiven und inductiven Logik.“ Er arbeitete hier wichtige Grundlagen für die ökonomische Forschungsmethodik. Insbesondere sprach er sich dafür aus, die experimentellen Methoden aus den Naturwissenschaften auf die damaligen Gesellschaftswissenschaften zu übertragen. Aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten plädierte er dafür, Handlungsmotive von Menschen -also Verhaltensannahmen in die Arbeiten, mit einzubeziehen. Da ökonomische Zusammenhänge untersucht wurden, ergab sich z. B., dass „individuelle Streben nach Reichtum“ als Annahme. Dies entspricht der Annahme der Nutzenmaximierung. Man sieht hier bereits, dass der Begriff „Nutzen“ nicht eindeutig definiert ist.

Auch wenn Mill den Homo Oeconomicus noch nicht namentlich nannte, kann er doch als geistiger Vater des Verhaltensmodells bezeichnet werden. Wie und wann der Begriff Homo Oeconomicus als Bezeichnung dieses Verhaltensmodells Eingang in die VWL fand, ist nicht ganz klar. Aber die Chancen stehen hoch, dass es Vilfredo Pareto in einer Veröffentlichung 1906 gewesen ist.

Im Zuge der Kritik an den Annahmen der Klassik und der Neoklassik ist auch das Modell des Homo Oeconomicus zahlreicher Kritik ausgesetzt gewesen. Wichtige Ereignisse und Forscher sind hier insbesondere Reinhard Selten mit seinen Arbeiten zur experimentellen Wirtschaftsforschung, George A. Akerlof mit seinem Buch „Animal Spirits“, das infolge der Finanzkrise 2007 erschien, oder auch Edmund Heinen mit seinem Konzept zur entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre.

Modell und Eigenschaften des Homo Oeconomicus 

Der Homo Oeconomicus ist ein Konzept aus der Ökonomie, welches das idealisierte rationale und egoistische Verhalten von Individuen beschreibt. Das Modell geht damit von einem Menschen aus, der ausnahmslos rational handelt. Dies ist der Kernannahme des Modells. Außerdem ist er vollständig über das Marktgeschehen informiert und verfügt damit verbunden über alle Informationen. Aus ökonomischer Sicht strebt er danach, immer seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Dieser Ansatz der Nutzenmaximierung wird auch häufig als Egoismus interpretiert. Im Folgenden gehen wir detaillierter auf die einzelnen Eigenschaften des Modells ein.

Rationales Verhalten

Die Annahme des rationalen Verhaltens stellt den Kern des Homo Oeconomicus dar. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um vollständig zweckrationales Handeln handelt. Das bedeutet, dass der Homo Oeconomicus ein Ziel mit seinem Handeln verfolgt. Hat er kein Ziel, würde er auch nicht handeln. Rationalität bedeutet nun, dass er aus sämtlichen Handlungsalternativen die Alternative auswählt, die ihm den höchsten Nutzen stiftet. Mathematisch und analytisch beschäftigt sich die Entscheidungstheorie mit den Annahmen und der Ausgestaltung von rationalem Verhalten.

Festgelegte Präferenzen

Neben rationalem Verhalten sind festgelegte Präferenzen die zweite wesentliche Annahme des Homo Oeconomicus. Das Modell versucht das Verhalten von Menschen zu erklären. D. h. es erklärt, wie Entscheidungen getroffen werden. Um Entscheidungen treffen zu können, bedarf es Präferenzen. Und diese Präferenzen müssen festgelegt und in einer bestimmten Reihenfolge sein. Ökonomische Entscheidungen werden in diesem Modell nicht aufgrund von (inneren) Präferenzänderungen getroffen, sondern aufgrund von (externen) ökonomischen Faktoren. Zum Beispiel ist man gerne Süßigkeiten. Man hat eine hohe, festgelegte Präferenz für dieses Gut. Kauft man nun weniger Süßigkeiten, liegt das ausschließlich daran, dass sich die Preise für Süßigkeiten erhöht haben. Und nicht daran, dass man im Januar den Vorsatz getroffen hat, gesünder zu leben.

Gewinnmaximierung und Nutzenmaximierung

Die Annahme der Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung ist im monetären Sinne zu verstehen. Der Homo Oeconomicus ist ein Verhaltensmodell für ökonomische Entscheidungen. Der Homo Oeconomicus verfolgt das Ziel, wirtschaftliche Entscheidungen zu fällen. Und bei gegebenen Mitteln versucht er seinen ökonomischen Nutzen zu maximieren. Hierfür will er entweder Kosten einsparen oder höhere Vorteile erzielen. 

Vollständige Informationen und schnelle Reaktionen

Der Homo Oeconomicus besitzt über sämtliche Informationen, die er für seine Entscheidungen benötigt. Außerdem ist immer dazu in der Lage, auf Änderungen der Rahmenbedingungen zu reagieren. Diese beiden Annahmen führen dazu, dass auf einem Markt vollkommene Markttransparenz vorliegt und Anpassungen sekundenschnell durchgeführt werden können. Letztlich bedingt das Verhalten des Homo Oeconomicus das Standardmodell der VWL eines vollkommenen Marktes. Man betrachtet das Verhalten von Unternehmen und Nachfragern. In der Diskussion um die Annahmen des Homo Oeconomicus betrachtet man implizit in der Regel das Verhalten von einzelnen Wirtschaftsteilnehmern.

Vorteile des Homo Oeconomicus

  1. 1
    Das Modell ermöglicht die Anwendung von Mathematik und statistischen Methoden in der Ökonomie, da es Annahmen über rationales Verhalten und klare Präferenzen der Individuen enthält.
  2. 2
    Außerdem erlaubt es die Vorhersage von Marktergebnissen und die Analyse von möglichen ökonomischen Politiken.
  3. 3
    Schließlich kann das Modell als Ausgangspunkt für die Analyse von Menschen mittels der Verhaltensökonomie dienen. Die Verhaltensökonomie beschäftigt sich damit, wie tatsächliches menschliches Verhalten von der Annahme des Homo Oeconomicus abweicht. 

Trotz der vielseitigen Anwendbarkeit des Modells ist es jedoch wichtig zu beachten, dass das Konzept des Homo Oeconomicus auch kritisiert wird, da es eine vereinfachte und idealisierte Darstellung des menschlichen Verhaltens ist. So werden nicht alle Aspekte des menschlichen Verhaltens berücksichtigt, wie z. B. soziale Normen, Emotionen und Unsicherheit.

Gründe für die Verbreitung des Homo Oeconomicus

Die eben dargestellten Vorteile beziehen sich auf die wissenschaftliche Perspektive. Sie erklären, warum Volkswirte das Modell des Homo Oeconomicus als wissenschaftliche Grundlage für ihre Analysen und (Politik)-Empfehlungen nutzen. Dieser neoklassische Verhaltensansatz hat sich aber auch in der Praxis bislang durchgesetzt. Seit Gary Beckers „Ökonomisierung des Alltags“ findet man das Modell bei fast allen ökonomischen Entscheidungen. Bevor wir auf die vielfache Kritik am Modell des Homo Oeconomicus eingehen, möchten wir zuerst einige Gründe nennen, warum dieser Ansatz auch in der Praxis so stark angewendet wird. 

Einfachheit und Bequemlichkeit

Wie bereits dargestellt, ist das Modell des Homo Oeconomicus im Grundsatz sehr einfach und intuitiv. Das Modell ist logisch aufgebaut und die Fokussierung auf die ökonomische Nutzenmaximierung erlaubt im Alltag eine schnelle Entscheidungsfindung. Im Prinzip kann man jede Entscheidung ökonomisch begründen. Mit der strikten Orientierung am Maximalprinzip ist es immer möglich, sein Verhalten damit zu erklären, dass die Entscheidung „mehr Geld eingebracht hat“.

Hieraus folgt auch eine gewisse Bequemlichkeit in Hinblick auf die Entscheidungsfindung. Wenn alle Entscheidungen ausschließlich monetär getroffen werden, können Entscheidungsträger an der Oberfläche bleiben. Man muss nicht mehr nach den Ursachen für bestimmte Probleme suchen, sondern kann einfach Lösungen anbieten. Als Beispiele kann man hier sehr sozial- oder wirtschaftspolitischen Entscheidungen anführen, die darin bestehen, dass Geldzahlungen eingeführt oder erhöht werden. Auch wenn Geldzahlungen einen sehr starken Anreiz bilden, ist fraglich, ob sie allein das zugrundeliegende Problem beheben können.

Ein konkretes Beispiel wäre die Frage, wie stark es die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördert, wenn Ärzte einen Vergütungszuschlag dafür erhalten, dass sie die elektronische Patientenakte befüllen. Eine Akte, über die die Patienten die Datenhoheit besitzen. Hier ist bereits ersichtlich, dass ein ökonomischer Anreiz nicht verkehrt ist. Er allein aber nicht zu einer schnelleren und/oder besseren Zielerreichung führt, insbesondere da im Gesundheitswesen die Geldmittel begrenzt sind. 

Rationalitätsillusion

Die Kernannahme des Homo Oeconomicus besteht darin, dass sich der ökonomisch denkende Mensch rational verhält. Wie wir noch darstellen werden, besteht der Hauptkritik an dem Modell darin, dass sich der Mensch eben nicht rational verhält. Es liegt damit eine sogenannte Rationalitätsillusion vor. Diese Illusion führt aber auch gerade dazu, dass das Modell trotz seiner Schwächen so stark verbreitet ist.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die meisten Entscheidungen basieren auf Gewohnheiten, die kaum im Gedächtnis bleiben. Entscheidungen, die dagegen rational getroffen werden, bedingen einen größeren „Denkaufwand“. Sie bleiben damit länger und prägnanter im Gedächtnis hängen. Hierdurch unterliegt der Mensch der Illusion, sich wie ein Homo Oeconomicus zu verhalten. 

Soziale Akzeptanz und Selbstbild

Wer möchte schon über sich sagen, dass seine Entscheidungen und sein Verhalten irrational sind? Momentan herrscht in unserer westlichen Gesellschaft der Drang zur Selbstoptimierung vor. Bücher und Ratgeber zur Optimierung des Alltags oder zur Erhöhung der Produktivität und zur Fokussierung haben Hochkonjunktur. Dieses Bild wird auch in der Wirtschaftswelt gelebt. In diesem Sinne ist es für den Menschen, ob im Beruf oder privaten Alltag angenehmer, das Bild des Homo Oeconomicus aufrechtzuerhalten.

Und schließlich gilt: Wenn jeder an diesem Bild festhält, muss es ja irgendwie stimmen. Gruppeneffekte und soziale Akzeptanz kommen manifestieren sind. Irgendwann ist dieses Verhaltensmodell sozial akzeptiert und jeder Entscheider orientiert sich an diesen Annahmen. 

Kritik am Homo Oeconomicus

Aufgrund der strengen Verhaltensannahmen des Homo Oeconomicus und seiner Bedeutung (auch) bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen ist dieses Verhaltensmodell seit längerem heftiger Kritik ausgesetzt gewesen. Je nach Wissenschaftsdisziplin und Literaturquelle umfasst die Kritik mehr oder weniger ausführliche Kritikpunkte. Die Ergebnisse der Kritik führen von Erweiterungen und Anpassungen des Homo Oeconomicus-Modells über Gegenentwürfen (z.B. Homo Socialis) hin zu pauschaler Ablehnung des Modells.

Insgesamt lässt sich die Kritik in zwei bis drei Gruppen zusammenfassen: Wobei der Kern der Kritik einfach darin besteht, dass die Annahmen der Neoklassik abgelehnt werden.

Der Hauptpunkt betrifft hierbei die Rationalitätsannahme. In der VWL hat sich die Verhaltensökonomie als eigenständiges Forschungsgebiet etabliert, die mit Hilfe von Experimenten und auf Grundlage der Sozialpsychologie das tatsächliche menschliche Verhalten untersucht. Die Arbeiten dieses Forschungszweiges sind nicht genug zu würdigen. Hier findet man zu jedem Aspekt des Homo Oeconomicus eine Überprüfung.

Allerdings beschäftigt sich die Verhaltensökonomie bis dato „nur“ mit der Überprüfung. Ein Gegenentwurf für die VWL liegt noch nicht vor. Andere Disziplinen haben zwar Gegenentwürfe entwickelt. Sie adressieren jedoch nur den Kritikpunkt. Die Vorteile des Homo Oeconomicus bleiben dabei außen vor. Es ist nun einmal so, dass ein Modell ein unvollkommenes Abbild der Realität darstellt.

Eine weitere Gruppe von Kritikpunkten betrifft die Methode. Der Homo Oeconomicus und die Neoklassik bilden den Ausgang für die starke Nutzung von Mathematik in der VWL. Die alleinige Fokussierung auf eine Methode stellt eine Schwäche dar. Im Folgenden illustrieren wir kurz einige der wichtigsten Kritikpunkte am Homo Oeconomicus. Die Liste ist auf keinen Fall abschließend. Für weitere und detailliertere Kritikpunkte seien an dieser Stelle deshalb noch einmal auf die Arbeiten aus der Verhaltensökonomie empfohlen (z. B. Arbeiten von Kahnemann, Thaler etc.)

Irrationales Handeln

Der erste Kritikpunkt betrifft die Hauptannahme des Modells, dass Menschen immer rational handeln. Als Beispiele für rein rational denkende und handelnde Menschen könnte man z. B. Sherlock Holmes oder Mr. Spock nennen. Gemeinsam haben sie, dass es sich um fiktive Charaktere handelt. Sie existieren nicht.

Menschen sind auch mal emotional und impulsiv. Sie lassen sich von Werbung beeinflussen, arbeiten ehrenamtlich und verhalten sich durch Alkohol- und Zigarettenkonsum manchmal gesundheitsschädlich. Neben dieser Kritik anhand von Beispielen, zeigt auch die Verhaltensökonomie, dass der Mensch irrational handelt.

Prominentestes Beispiel ist hier der sogenannte „Framing-Effekt“. Er beschreibt, dass für die Entscheidungsfindung nicht nur die Alternativen ausschlaggebend sind, sondern es spielt auch eine Rolle, wie die Entscheidungssituation präsentiert wird. Dieses und noch viele weitere Beispiele findet man auch in Büchern über Verhandlungen.

Unvollständige Informationen

Ein weiterer Kritikpunkt am Homo Oeconomicus besteht darin, dass die Menschen und Akteure nicht über vollständige Informationen verfügen und Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen sofort vornehmen können. Dieser Kritikpunkt ist nachvollziehbar und ist auch bereits seit langem Standard in der VWL. Konkretes Beispiel sind hier in den Einführungsveranstaltungen zur VWL die Themen zu Marktunvollkommenheiten.

Hier untersucht man vor allem die Auswirkungen von Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern im Versicherungsmarkt. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Arbeitsökonomik. Auch hier können Unternehmen nicht vollständig die Fähigkeiten von Bewerbern ex ante beurteilen. Es liegen unvollständige Informationen vor. 

Die Eigenschaft „Egoismus“

Die Annahme der Nutzenmaximierung mit einer Reduzierung auf Geldnutzen hat zu der Kritik geführt, dass dieses Modell ein egoistisches Menschenbild zugrunde legt. Kritiker argumentieren, dass Menschen nicht nur Egoisten sind. Sie können auch kooperieren oder altruistisch sein. Die Verhaltensökonomik hat hier in verschiedenen Experimenten eindrucksvoll gezeigt, dass Menschen nicht rein egoistisch handeln. Allerdings ist trotz oder gerade wegen dieser Ergebnisse zu fragen, wie man tatsächlich denn nun „Nutzen“ definiert. 

In Anlehnung an die Egoismus-Kritik kann auch feministische Kritik angeführt werden. Diese Kritik bemängelt, dass z. B. Care-Arbeit keinen Eingang in die wirtschaftlichen Statistiken findet. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wie ökonomischer Nutzen definiert ist. Auf volkswirtschaftlicher Ebene findet diese Kritik Eingang in die Überlegungen, ob das BIP ein geeigneter Indikator für den Wohlstand einer Volkswirtschaft ist. 

Die Methode Mathematik in der Ökonomie

Die Annahmen des Homo Oeconomicus und die darauffolgende Mathematisierung der VWL erlauben es, relativ einfache Modelle zu erstellen und Verhalten mit seinen Folgen punktgenau darzustellen. Und Ergebnisse zu quantifizieren. Als Kritikpunkt wird hier genannt, dass Menschen ihre Verhaltensentscheidungen in der Regel nicht als Maximierung ihrer persönlichen Nutzenfunktion betrachten.

Vielmehr nähern sie sich ihrer Entscheidung eher grob an und richten dann daran ihr Verhalten aus. Menschen sind damit eher heuristische Wesen. Und der Prozess der Entscheidungsfindung steht im Mittelpunkt und nicht das berechnete Optimum.

Zusammenfassung

  • Der Homo Oeconomicus ist ein Wirtschaftsakteur, der vollkommen rational handelt und über vollständige Informationen verfügt.
  • Das Ziel des Homo Oeconomicus ist die Nutzenmaximierung. In der Praxis versteht man hierunter Geld.
  • Das Modell des Homo Oeconomicus ist ein Verhaltensmodell und bildet die Grundlage für die Neoklassik und ist Ausgangspunkt für die damit verbundene (mathematische) Modellbildung.
  • Kritik am Modell des Homo Oeconomicus stellt insbesondere Kritik an den Annahmen der Neoklassik dar. Schwerpunkt sind hierbei die Überprüfung und Widerlegung der Verhaltensannahmen des Wirtschaftsakteurs.

Literatur


  • Pietsch, D. Prinzipien moderner Ökonomie, Springer Nature, 2020.
  • Schäfer, Hans-Bernd und Claus Ott. Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts. 6. Auflage, Springer Gabler, 2020.
  • Strotebeck, F. Einführung in die Mikroökonomik. Band 1: theoretische Grundlagen. Springer Gabler, 2020.

Über die Autorin: 

Nadine Behncke

Promovierte Volkswirtin und überzeugte Europäerin. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Herausforderungen der EU mit ihren Auswirkungen und Folgen auf Deutschland und seine Bevölkerung. Sie schreibt auf Think About zu Politik, Wirtschaft & Geschichte in Europa, um Wissen zu vermehren und zur Diskussion beizutragen.


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