Angebotsinflation kann auf zwei Arten entstehen. In diesem Artikel erklären wir euch, welche Inflationskanäle dies sind. Und wie sie sich in ihrer Entstehung und Wirkung unterscheiden.
Definition
Angebotsinflation: Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Das zentrale Merkmal ist, dass der Anstieg des Preisniveaus durch die Marktseite der Anbieter bzw. durch Unternehmen verursacht wird. Die Angebotsinflation entsteht durch die Weitergabe gestiegener Kosten in den Unternehmen an die Verbraucher (Kosteninflation). Hausgemacht oder importiert. Oder sie entsteht durch das Ausnutzen von Marktmacht der Unternehmen, was in höheren Preisen mündet. (Gewinninflation). Die Angebotsinflation wird auch Verteilungsinflation genannt.
Kennzeichen der Angebotsinflation
Die Angebotsinflation bezeichnet man auch als Verteilungskampfinflation. Sie ist das Ergebnis von Verteilungskämpfen einzelner Gruppen über das begrenzte Einkommen. Zwar kennzeichnet die Angebotsinflation, dass sie von der Angebotsseite, also den Unternehmen, ausgeht. Doch letztlich sind die Unternehmen eine Organisationseinheit, in der viele verschiedene Akteure an der Produktion des letztlich auf dem Markt angebotenen Gutes beteiligt sind. Zu nennen sind hier z.B. das Unternehmensmanagement, die Beschäftigten, die Vorleistungsindustrien oder auch die Lieferanten.
Jede dieser Gruppen versucht über ihre Vertreter ihren Anteil am Erlös des verkauften Gutes zu erhöhen. Bei den Beschäftigten wären dies z.B. die Forderung nach höheren Löhnen. Das Management hat dagegen das Interesse, die Produktionskosten so gering wie möglich zu halten.
Im Endeffekt ist aufgrund der vielen beteiligten Gruppen das Entstehen von Angebotsinflation ein gesellschaftliches Phänomen. Übersteigen die Einkommensforderungen in diesen Verteilungskämpfen die realen Einkommensmöglichkeiten, wird die Differenz über steigende Preise weitergegeben. Hierfür ist aber auch notwendig, dass die Geldmenge ausgeweitet wird. Eine Geldmengeninflation geht damit mit einer Angebotsinflation einher.
Mehr Informationen in diesem Artikel: Artikel Geldmengeninflation
Voraussetzungen der Angebotsinflation
Aufgrund des beschriebenen Zusammenhangs müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Angebotsinflation auftreten kann:
1. Einkommensforderungen der am Produktionsprozess beteiligten Gruppen müssen mit Macht durchgesetzt werden. Entweder auf Unternehmensebene oder auf Marktebene.
2. Ohne eine Geldmengensteigerung ist eine Inflation langfristig nicht möglich. Die Einkommensforderungen müssen daher mit einer Ausweitung der Geldmenge einhergehen.
Merkmale Angebotsinflation
Insbesondere aus der ersten Voraussetzung können verschiedene Merkmale einer Angebotsinflation abgeleitet werden (Macht). Denn sie zeigt nicht nur, wann eine Angebotsinflation auftreten kann, sondern auch, wann nicht:
Merkmale Angebotsinflation
Ausprägungen der Angebotsinflation
In der Theorie wird zwischen zwei Arten der Angebotsinflation unterschieden. Gemeinsam haben die Kosteninflation und die Marktmachtinflation dabei, dass Preisanstiege durch die Seite der Anbieter bedingt sind. Im Falle der Kosteninflation resultiert der Anstieg des Preisniveaus dabei vor allem durch einen Anstieg von Rohstoffkosten (Importierte Inflation) oder Lohnkosteninflation.
Kostendruckinflation
Kostendruckinflation: Den Unternehmen entstehen Kostensteigerungen im Produktionsprozess, die letztlich an die Verbraucher weitergegeben werden. Man kann zwischen Kostensteigerungen im Inland und im Ausland unterscheiden.
1. Lohnkosteninflation
Steigende Lohn- oder Lohnnebenkosten bewirken, dass die Produktionskosten steigen und diese Erhöhungen in Form von Preisen an die Verbraucher weitergegeben werden. Da die Lohnkosten an den Produktionskosten mit Abstand den größten Anteil ausmachen, ist die Lohnkosteninflation als Ursache für das Entstehen einer Angebotsinflation als bedeutsam einzuschätzen.
Die Arbeitnehmer bzw. die Gewerkschaften als ihre Vertreter besitzen entsprechenden Einfluss in Verhandlungen und den Verteilungsauseinandersetzungen. Die Bedeutung von Lohnsteigerungen als Ursache für Inflation wird z.B. deutlich in den Diskussionen zur Phillips-Kurve oder zur Lohn-Preis-Spirale.
Für das Verständnis zur Interpretation der Bedeutung der verschiedenen Kostensteigerungen als Ursache für das Entstehen einer Kosteninflation ist es wichtig zu verstehen, wie aus volkswirtschaftlicher Sicht Lohnpolitik erfolgt.
Kurz zusammengefasst, entspricht im neoklassischen Arbeitsmarktmodell im Optimum die Grenzproduktivität eines Arbeitnehmers immer seinem Reallohn. An diesem Grundsatz orientieren sich im Ausgang Lohnverhandlungen: Die Steigerung der Löhne muss mit dem Anstieg der Produktivität erfolgen. Steigen die Löhne, also die Lohnkosten, stärker als die Produktivität, führt dies zu einer Lohnkosteninflation.
Im Hinblick auf die Verteilungskämpfe mit den anderen beteiligten Kostenartenakteuren bedeutet dies, dass ein Anstieg anderer Kostenarten dazu führen muss, dass die Lohnkosten weniger stark steigen dürfen. Die Gesamtsumme der einzelnen Kosten darf nicht stärker ansteigen als die Produktivität.
2. Kapitalkosteninflation
Hierunter fallen als Ursache z.B. die Verschlechterung von Abschreibungsmodalitäten oder gestiegene Finanzierungskosten in den Unternehmen. Steigen die Kapitalkosten, bedeutet dies folglich, dass andere Kostenarten weniger stark wachsen dürfen, damit die Gesamtkosten genauso stark wachsen wie die Produktivität. Anders formuliert: Steigende Kapitalkosten verringern den verteilungspolitischen Spielraum der Arbeitnehmer bei den Lohnverhandlungen. Hierdurch wird der Verteilungskampf verschärft.
Einschränkend muss man allerdings hinzufügen, dass eine Veränderung der Kapitalkosten empirisch nur schwierig zu ermitteln ist. Diese Kosten bzw. damit auch verbunden die Kapitalkosteninflation weisen an der Angebotsinflation nur eine geringe Bedeutung auf.
3. Kostensteuerinflation
Diese Form liegt vor, wenn der Staat Verbrauchssteuern erhöht, um seine Ausgaben zu finanzieren oder gesellschaftspolitische Ziele zu verfolgen. Hierbei sind insbesondere die Mehrwert-, Mineralöl- oder Tabaksteuer zu nennen. Die Erhöhung der Mineralölsteuer verfolgt z.B. umweltpolitische Ziele.
Die Anhebung dieser konkreten Verbrauchssteuern führt automatisch zu höheren Preisen der entsprechenden Produkte. Der hier ausgelöste Inflationsschub ist unvermeidlich. Denn es wäre z.B. den Beschäftigten nicht zumutbar, eine staatlich verursachte Kostensteigerung bei ihren Lohnverhandlungen zu kompensieren. (Verteilungskampf).
4. Importierte Kosteninflation
Hierunter fallen Kostensteigerungen, die im Ausland ihren Ursprung haben. Beispiele für Importe sind Vorleistungsprodukte oder auch Rohstoffe, wie Öl. Wenn die Preise auf den internationalen Märkten plötzlich ansteigen, müssen die Unternehmen entsprechend ihre Produktpreise erhöhen, um weiter Gewinn zu erzielen.
Mehr Informationen: Artikel zur Importinflation oder zum internationalen Preiszusammenhang.
Marktmachtinflation oder Gewinninflation
Marktmachtinflation: Unternehmen erhöhen ihre Preise, um einen höheren Gewinn zu erzielen. Dies ist möglich, wenn sie Marktmacht besitzen, die ein solches Vorgehen ermöglichen. Voraussetzung hierfür sind Marktformen wie das Oligopol oder Monopol.
Je geringer auf einem Markt der Wettbewerb ist, desto leichter fällt es einem Unternehmen, die Preise zu erhöhen. So kann ein Monopolist wesentlich einfacher Preise erhöhen als ein Unternehmen in einem Polypol, wo ein vollkommener Wettbewerb vorliegt.
Hieraus folgt, dass auf Märkten mit unvollkommenem Wettbewerb die Unternehmen ihre Preise so setzen werden, dass sie ein bestimmtes Gewinnziel erreichen. Zu solchen Märkten zählen u.a. das Monopol, Oligopol, aber auch Kartelle.
Anders und etwas vereinfacht formuliert: je höher der Monopolgrad auf einem Markt, desto höher die Gewinnansprüche. Kann das oder die Unternehmen diese Ansprüche durchsetzen, führt die zu höheren Produktpreisen und damit letztlich zu einem höheren gesamtwirtschaftlichen Preisniveau bzw. Inflation. Da es sich nicht um einen einmaligen Preisanstieg handelt.
Auswirkungen der Angebotsinflation
Die Abbildung zeigt die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Angebotsinflation in einem Angebot-Nachfrage-Diagramm (formal korrekt: ASAD-Modell). Auf den Achsen sind das gesamtwirtschaftliche Preisniveau P und die gesamtwirtschaftliche Produktion Y (bzw. das BIP aus der Entstehungsrechnung) abgetragen.
Ausgangspunkt ist der Gleichgewichtspunkt B von der Angebotskurve A1 und der Nachfragekurve N.
Es kommt nun zu Angebotsinflation, was durch den Anstieg von P1 zu P2 angezeigt wird.
Die Preissteigerung kann durch Marktmacht- bzw. Gewinninflation oder auch eine Kosteninflation ausgelöst worden sein. Gemein ist beiden Ursachen, dass die Unternehmen höhere Preise für ihre Produkte verlangen.
Die Preissteigerungen bewirken einen Angebotsschock. In der Grafik verschiebt sich die Angebotskurve A1 nach links zur Kurve A1. Die höheren Preise haben Auswirkungen auf die Lohnpolitik. Es sinken die Reallöhne der Beschäftigten, was zu höheren (Nominal)Lohnforderungen führt. Sind diese Forderungen höher als die Produktivität, führt dies zu Unterbeschäftigung. Aus Unternehmenssicht bedeutet dies eine Verringerung des „Faktors Arbeit“. Es kann jetzt weniger Güter produzieren. Das gesamtwirtschaftliche Angebot sinkt. Die gestiegenen Preise bewirken außerdem, dass die Nachfrage sinkt. Es folgt eine Bewegung auf der Nachfragekurve N hin zum neuen Gleichgewicht.
Das Ergebnis ist schließlich der neue Gleichgewichtspunkt C.
Hier haben wir jetzt eine geringere volkswirtschaftliche Produktion Y2 und ein erhöhtes gesamtwirtschaftliches Preisniveau P2 bzw. Angebotsinflation.
Maßnahmen gegen Angebotsinflation
Die zwei vorgestellten Voraussetzungen für das Entstehen von Angebotsinflation verdeutlichen, mit welchen Ansätzen man Angebotsinflation verhindern oder bekämpfen kann. Hierbei kann zwischen Maßnahmen zur Verhinderung einer Ausweitung der Geldmenge und zur Verhinderung der inflationsbegünstigenden Verteilungskämpfe unterschieden werden.
1. Imperative Einkommenspolitik
Die Einkommenspolitik ist ein Teilgebiet der Wirtschaftspolitik. Sie hat zum Ziel, die beschriebenen Verteilungskämpfe so zu lenken, dass die wirtschaftliche Stabilität nicht gefährdet wird. Hierunter fällt insbesondere das Verhindern von Inflation und Arbeitslosigkeit.
Die Imperative Einkommenspolitik impliziert einen direkten Eingriff des Staates in die Autonomie der Tarifpartner. Bzw. in die Autonomie der relevanten Akteure. Eine Möglichkeit wären z.B. Lohn- oder Preiskontrollen. Es versteht sich von selbst, dass in einer (sozialen) Marktwirtschaft solche gravierenden Eingriffe nur in absoluten Ausnahmesituationen erfolgen sollte. Denn der Eingriff in die Tarifautonomie bedeutet in Folge auch, einen Eingriff in die Freiheit der Unternehmen eigenständige Preisentscheidungen zu treffen. Damit wären die Preisfunktionen außer Kraft gesetzt. Und den Unternehmen würde die Möglichkeit fehlen, sich hierüber an verändernde Marktbedingungen anzupassen.
Dies zeigt, dass man zwar in der Theorie leicht herleiten kann, wie Verteilungskämpfe verhindert werden können. Die praktische (politische) Umsetzung wirft dann aber doch erhebliche Probleme auf.
2. Kooperative Einkommenspolitik: Konzertierte Aktionen
Konzertierte Aktionen oder auch Sozialkontrakte sind eine Form der indirekten Einkommenspolitik. Sie werden auch als kooperative Einkommenspolitik bezeichnet. Ziel ist, dass gesellschaftliche Gruppen stärker in die gesamtwirtschaftliche Verantwortung eingebunden werden sollen. Anders formuliert: Sie sollen mittels dieser Aktionen dazu ermutigt werden, sich nicht so stark auf ihre Eigeninteressen zu fokussieren, sondern eher auf das Gemeinwohl. Sozialkontrakte und konzertierte Aktionen werben daher für ein partnerschaftliches Verhalten der Akteure.
Konzertierte Aktionen und „runde Tische“ sind immer wieder zu beobachten. Problematisch ist allerdings, dass die Beschlüsse dieser Runden immer unverbindlich sind; es wird nicht in die Rechte der Akteure eingriffen. In der Praxis hat sich deshalb gezeigt, dass konzertierte Aktionen damit nicht unbedingt effizient sind.
3. Wettbewerbspolitik
Eine konsequente Wettbewerbspolitik bezeichnet man als zweite Säule der Einkommenspolitik, um Angebotsinflation zu bekämpfen. Sie zielt hauptsächlich auf die Bekämpfung der Marktmachtinflation ab.
Im Prinzip ist Marktmachtinflation das Ergebnis eines unzureichenden Wettbewerbs. Das Ziel der Wettbewerbspolitik muss es daher sein, wettbewerbsschädigendes Verhalten der Unternehmen zu verhindern. Und das Entstehen von Kartellen zu unterbinden. Die Wettbewerbspolitik muss damit an der Ursache und nicht am Symptom zur Bekämpfung der Angebotsinflation ansetzen. (Marktmacht versus missbräuchlich erhöhte Preise).
In Deutschland ist die Rechtsgrundlage hierfür das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG) aus dem Jahr 1957.
4. Monetaristische Geldpolitik
Wie bereits eingangs öfters erwähnt, ist eine Angebotsinflation ohne eine Geldmengeninflation nicht möglich. Hieraus folgt, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldmengeninflation auch Bestandteil bei der Bekämpfung der Angebotsinflation sein sollten. Aus makrotheoretischer Perspektive ist hierbei noch erwähnenswert, dass die Monetaristen einkommenspolitische Einmischungen strikt ablehnen. Bzw. lehnen sie alle drei vorher genannten Maßnahmen ab. Aus ihrer Sicht ist nur eine strikte Geldpolitik sinnvoll.
Die monetaristische Geldpolitik soll dafür sorgen, dass die geschilderten Verteilungskämpfe nicht zu einer Inflation führen. Hierdurch würde es in der Folge nämlich zu Arbeitslosigkeit kommen (die sogenannte Lohn-Preis-Spirale würde in Gang gesetzt werden.). Diese Arbeitslosigkeit kann man als Sanktion für lohnpolitisches Fehlverhalten der entsprechenden Akteure interpretieren. Die Monetaristen nehmen an, dass sämtliche relevanten Akteure durch diese Sanktionen aus eigenem Antrieb zu einem „stabilitätsgerechteren Verhalten“ finden.
In Deutschland wurde diese Politik von der Bundesbank konsequent verfolgt. Seit Einführung des Euros ist die EZB für die Geldpolitik zuständig. Deren Primärziel ist ebenfalls eine Inflationsrate von nahe 2 %. Allerdings bezieht sich die Geldpolitik auf den Durchschnitt aller EURO-Länder.