Aktualisiert: 2. März 2023

Von 6 zu 28 Mitgliedern: Die 7 EU-Erweiterungen

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Zwischen 1957 und 2013 erfolgten 7 EU-Erweiterungen. Insgesamt ist die Europäische Union von zuerst 6 Gründungsmitgliedern auf 28 Mitglieder angewachsen. Die Erweiterungsrunden zeigen, dass zwar zuvorderst Wirtschaftsinteressen im Mittelpunkt stehen.

Andererseits aber auch immer politische Ziele einflossen. In den letzten Erweiterungen dominierten sogar die politischen Gründe, wie der Aufbau von Demokratien.

Die 7 EU-Erweiterungen

Die 7 EU-Erweiterungen können in vier Phasen unterteilt werden:

1. „Westeuropa“

Die Gründerstaaten und der Beitritt von Großbritannien, Irland und Dänemark bilden das Kerneuropa.

2. Süden

Die beiden Erweiterungsrunden in den 1980er markieren eine erste wirkliche Öffnung der Europäischen Gemeinschaft. Zum ersten Mal nehmen sie wirtschaftlich ärmere Länder auf. So dass hier Diskussionen um Nettozahler und Nettoempfänger zum EU-Haushalt entstehen.

Außerdem entwickelt die Gemeinschaft auch eine Art Kodex, junge Demokratien zu unterstützen.

3. Überwindung des kalten Krieges

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und der Norderweiterung 1995 öffnet sich die EU nach Osten. Der Kalte Krieg scheint überwunden und ehemals zwischen den beiden Blöcken stehende Staaten treten der EU bei.

4. Die Öffnung nach Osten

Die Osterweiterungen 2004/2007 und Kroatien 2013 markieren das endgültige Überwinden der Teilung Europas in Ost und West.

Gleichzeitig verschärfen sich hierdurch aber auch die wirtschaftlichen und ideologischen Ungleichgewichte. Interessenskonflikte treten verstärkt zu Tage.

Bevölkerung und Wohlstand in den Erweiterungsrunden

Beitrittsjahr

Neue Mitglieder

Bevölkerungs-zuwachs (%)

Sozialprodukt (KKP), Zuwachs in %

Sozialprodukt pro Kopf

1973

Großbritannien, Irland, Dänemarkt

33,4

31,9

95,5

1981

Griechenland

3,7

1,8

48,4

1987

Spanien, Portugal

17,8

11,0


1995

Schweden, Finnland, Österreich

6,3

6,5

103,6

2004

Zypern, Malta, Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Slowakei, Slowenien

19,6

9,1

46,5

2007

Bulgarien, Rumänien

4,8

1,5

29,8

Anmerkung: Sozialprodukt pro Kopf in % des Wertes der bisherigen Mitglieder; Quelle: Brasche (2006), Europäische Integration, S. 410.

1. Die Norderweiterung 1973

Der Weg zur ersten Erweiterungsrunde ist lang und steinig gewesen. Bereits 1961 stellten Großbritannien, Irland und Dänemark ein Beitrittsgesuch.

Doch der damalige französische Staatspräsident Charles de Gaulle lehnte die Aufnahme Großbritanniens strikt ab.

Einerseits sah er Großbritannien als Konkurrenz zur Führungsrolle Frankreichs in der Gemeinschaft an. Andererseits befürchtete er aufgrund der historisch sehr engen Beziehung zwischen Großbritannien und den USA einen erstarkenden US-amerikanischen Einfluss. Zudem hegte er die Befürchtung, dass Großbritannien sich der „europäischen Integrationsidee“ nicht vollständig verpflichtet fühlte.

Erst nach seinem Abtritt von der politischen Bühne konnte die erste EU-Erweiterung vollzogen werden.

Für Großbritannien war der Beitritt eine logische Konsequenz aus seinem politischen Selbstverständnis heraus. Sah es sich doch als Mitglied des europäischen Kontinents. Die geographische Entfernung wurde durch den Beitritt damit überwunden.

Außerdem hatten sich auch die Handelsbeziehungen Großbritanniens seit dem zweiten Weltkrieg gewandelt: Während der Handel mit den Mitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kontinuierlich wuchs, nahm der Handel mit den Commonwealth-Ländern ab.

Für Irland und Dänemark stellte es quasi einen Automatismus dar, Großbritannien in die Gemeinschaft zu folgen. Denn sie waren wirtschaftlich eng verflochten.

Für das damals sehr arme Irland bot die Mitgliedschaft in der EWG zudem die Chance neue große Märkte zu erschließen.

Mit dem Abschluss der Norderweiterung zeichnete sich zudem langsam ab, dass das Modell des angestrebten gemeinsamen Marktes dem Modell der Zollunion (EFTA) überlegen war.

2. Die erste Süderweiterung 1981: Griechenland

1981 wuchs die Europäische Gemeinschaft auf 10 Mitglieder an. Mit Griechenland trat das erste südeuropäische Land bei.

Zudem zeigte sich durch diese Erweiterung, dass das europäische Integrationsprojekt tatsächlich nicht nur alleine wirtschaftliche Ziele verfolgte, sondern auch eine friedenssichernde Dimension hatte.

Allerdings stellte diese Süderweiterung die europäische Gemeinschaft auch vor neue Herausforderungen. Denn das wirtschaftliche Leistungsvermögen Griechenlands war wesentlich niedriger als der Durchschnitt der bisherigen Mitglieder.

3. Die zweite Süderweiterung 1987: Spanien und Portugal

Mit der zweiten Süderweiterung setzte sich der Trend von 1981 fort. Der Beitritt von Spanien und Portugal war erst nach dem Ende der in diesen Ländern herrschenden Militärdiktaturen möglich.

Von daher war der schnelle Beitritt Spaniens und Portugals auch dem Interesse der EG geschuldet, die jungen Demokratien zu schützen. Und ihnen über wirtschaftliche Integration das marktwirtschaftliche Modell näher zu bringen.

Genau wie bei Griechenland führten auch diese EU-Erweiterungen zu einer Veränderung der politischen Struktur in der EG:

Beide Länder besaßen ein wesentlich niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen als der europäische Durchschnitt. Außerdem war ihr Agraranteil an der Wirtschaftsstruktur wesentlich höher und sie verfügten über viele arme Regionen.

Dies führte in der Europäischen Gemeinschaft zur Einführung der gemeinsamen Struktur bzw. Kohäsionspolitik. Das Ziel dieser Politik ist es, Einkommensunterschiede zwischen den europäischen Regionen auszugleichen. Oder anders ausgedrückt: Die ärmsten europäischen Regionen an den europäischen Durchschnitt heranzuführen.

Zudem führten beide EU-Erweiterungen zu einer verstärkten Nutzung der gemeinsamen Agrarpolitik. Denn sowohl Griechenland als auch Spanien und Portugal waren aufgrund ihrer Wirtschaftsstruktur große Empfänger der Agrarmittel.

4. Die EFTA-Erweiterung 1995

Oftmals wird die EFTA-Erweiterung als unkompliziert dargestellt. Im Prinzip stimmt dies auch: Finnland, Österreich und Schweden konnten problemlos der EU 1995 beitreten.

Die ehemaligen EFTA-Länder sind hochentwickelte Industrieländer. Zudem stellten sie – was ihre Wirtschaftsleistung und ihr Pro-Kopf-Einkommen anging- Nettozahler zum EU-Budget dar. Nach den beiden Süderweiterungen in dieser Hinsicht eine willkommene Erweiterung.

Außerdem unterhielten sie durch individuelle Freihandelszonen bereits langjährige wirtschaftliche Verpflichtungen mit der EU. Als EFTA-Mitglieder hätten sie andernfalls dem europäischen Wirtschaftsraum beitreten können (EWR). Dies erschien diesen Ländern aber ökonomisch nicht lukrativ genug, so dass sie stattdessen einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU stellten.

Ein zweiter wesentlicher Grund, der zu der EFTA-Nord-Erweiterung führte, bestand in der geänderten globalen politischen Situation. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war die Zweiteilung Europas aufgehoben.

Finnland, Österreich und Schweden hatten sich während des kalten Krieges zu Neutralität verpflichtet, was nicht zuletzt an ihrer geographischen Lage als auch an ihren Handelsbeziehungen lag.

Während Schweden diesen Status freiwillig inne hatte waren Finnland und Österreich dazu vertraglich mit der Sowjetunion verpflichtet gewesen.

Diese Erweiterung markierte damit bereits eine Öffnung der EU nach Osten. Denn vorher konnte das Europäische Gemeinschaftsprojekt als rein „westeuropäisch“ bezeichnet werden.

5. Die große Ost-Erweiterung 2004

Im Jahr 2004 erlebte die Europäische Union ihre bislang größte Erweiterung. Insgesamt 10 mittel- und osteuropäische Staaten traten der Gemeinschaft bei. Die EU wuchs damit von 15 auf 25 Mitglieder an.

Der Beitritt der ehemaligen Mitgliedsstaaten des „Warschauer Paktes“ markierte damit endgültig das Ende des Kalten Krieges und der Zweiteilung Europas in West und Ost.

Die Ost-Erweiterung hatte damit vor allem einen hohen politischen symbolischen Wert.

Sicher spielten auch ökonomische Erwartungen eine Rolle, was die Erschließung neuer Märkte für Handel und Investitionen zum Aufbau anging.

Doch zeigen die harten und langwierigen Diskussionen im Vorfeld der Erweiterung das es neben ökonomischen Vorteilen auch zahlreiche Risiken gab. Von allen EU-Erweiterungen kann die Osterweiterung mit Abstand als schwierigste bezeichnet werden.

Die häufigsten Gegenargumente bestanden in der Personenfreizügigkeit und Lohnkonkurrenz durch osteuropäische Arbeitskräfte sowie die erhöhte Anzahl von Nettoempfängern beim EU-Budget.

Die 8 mittel- und osteuropäischen Staaten:

Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Lettland, Litauen und Lettland. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs strebten sie „zurück nach Europa“.

Sie waren wirtschaftlich durch Ineffizienzen der Planwirtschaft und die Abschottung vom Weltmarkt gekennzeichnet. Dies führte dazu, dass ihr Wohlstandsniveau wesentlich niedriger ausfiel als im EU-Durchschnitt.

Zudem standen die Länder am Anfang eines Transformationsprozesses hin zur Marktwirtschaft.

Malta und Slowenien:

Die Mittelmeerinsel Malta ist klein. Allerdings wirtschaftlich gut entwickelt. Und politisch spannungsfrei in die Staatengemeinschaft eingebunden.

Slowenien entstand in den 90er Jahren aus dem Zerfall Jugoslawiens. Der junge Staat ist ebenfalls klein und wirtschaftlich gut entwickelt. Zudem hat er historisch enge Beziehungen zum Kern Europas.

Die Aufnahme dieser beiden Staaten galt deshalb als unproblematisch.

6. Die stille Ost-Erweiterung 2007

Ohne große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sind Bulgarien und Rumänien 2007 der EU beigetreten. In Hinblick auf ihren Beitritt herrschten große Bedenken bezüglich ihrer politischen und gesellschaftlichen Integrationsreife.

Denn obwohl das Wirtschaftsmotiv immer im Mittelpunkt steht ist der EU-Beitritt auch an das Einhalten anderer Werte, wie Demokratie, Meinungsfreiheit etc. gebunden.

Wie die 8 mittel- und osteuropäischen Staaten sind auch diese beiden Länder Transformationsstaaten. D.h. sie sind wirtschaftlich noch nicht so stark entwickelt, um evtl. im Binnenmarkt bestehen zu können.

Andererseits schienen aber auch die neuen demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen noch nicht hinreichend gefestigt zu sein.

Die beiden Länder stehen damit auch nach ihrer Aufnahme unter Beobachtung der EU, was ihre Fortschritte in diesen beiden Bereichen angeht.

Allerdings haben die beiden Länder aufgrund ihrer geographischen Lage sicherheitspolitische Relevanz sowohl für die NATO als auch für die EU. Und insbesondere Griechenland erhoffte sich durch den Beitritt Bulgariens wirtschaftliche Impulse.

7. Kroatien tritt bei: 2013

Der Beitritt Kroatiens zur EU verlief (leider) fast unbemerkt. In der Öffentlichkeit dominierte zu dem Zeitpunkt die Debatte um die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Sowie die Eurokrise.

Vor allem vor diesem Hintergrund kann man den Beitritt des wirtschaftlich gut entwickelten Kroatiens als Lichtpunkt in dieser Zeit ansehen.

Bemerkenswert ist der Beitritt zudem, da hier zum ersten Mal ein standardisiertes Beitrittsverfahren eingesetzt wurde. Waren bei den vorherigen EU-Erweiterungen die Abläufe und Beitrittsvoraussetzungen noch nicht klar geregelt, so war dies hier jetzt der Fall.

Ausblick

Die verschiedenen EU-Erweiterungen zeigen, wie sich „ein Club“ über die Jahre entwickelt. Und auch wie Teilungen und ideologische Gräben überwunden werden können. Waren die Anfänge der EU und ihre ersten Erweiterungen noch durch das Ziel „politischer Integration“ in einem westlichen Kerneuropa geprägt, änderte sich dies später.

Ab der deutschen Wiedervereinigung 1990 –im Prinzip kann man auch den Beitritt der ehemaligen DDR als Beitritt zur EU definieren- standen andere Ziele im Vordergrund.

Neben den immer obligatorischen wirtschaftlichen Zielen, standen nun verteilungs- und strukturpolitische Herausforderungen im Vordergrund. Ebenso wie politische bzw.- sicherheitspolitische Motive, wie der Schutz junger Demokratien und die Unterstützung von Transformationsländern.

Denn mit der Öffnung von „Kern-Europa“ nach Süden und insbesondere nach Osten wuchsen die wirtschaftlichen Unterschiede, und auch die politischen Interessen.

Die EU selber befindet sich in einem notwendigen Transformationsprozess. Die Identität einer Gemeinschaft wird immer durch ihre Mitglieder geprägt.

Vor dem Hintergrund der momentan zahlreichen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen – die nur gemeinsam gelöst werden können- bleibt zu hoffen, dass diese Mitglieder sich ihrer gemeinsamen Identität besinnen. Und gemeinsam und konstruktiv an der Lösung dieser Probleme zu arbeiten.

Und dies vor allem auch ihrer jeweiligen Bevölkerung vermitteln können. Denn sonst besteht die Gefahr einer Desintegration, wie der bevorstehende Brexit gezeigt hat.

Eine solche Entwicklung wäre mehr als unklug.

Über die Autorin: 

Nadine Behncke

Promovierte Volkswirtin und überzeugte Europäerin. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Herausforderungen der EU mit ihren Auswirkungen und Folgen auf Deutschland und seine Bevölkerung. Sie schreibt auf Think About zu Politik, Wirtschaft & Geschichte in Europa, um Wissen zu vermehren und zur Diskussion beizutragen.


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