Konjunkturmodelle dienen der Erklärung und Prognose von Konjunkturschwankungen. In diesem Artikel zeigen wir euch den Unterschied zwischen Theorien und Modellen, sowie die wichtigsten Konjunkturmodelle, ihre Annahmen und Herkunft.
Definition
Konjunkturmodelle: Gleichungssysteme zur Erklärung makroökonomischer Größen und Prognose des BIPs in einem konsistenten Gesamtzusammenhang auf Basis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.
Zweck von Konjunkturmodellen
Man erstellt Konjunkturmodelle zur Erklärung und Prognose von Konjunkturschwankungen. Erklärungsgegenstand ist hierbei die Veränderung des Bruttoinlandproduktes. Ein Konjunkturmodell ist ein mathematisches Konstrukt. Um als Konjunkturmodell akzeptiert zu werden, muss das jeweilige Modell Differenzen und/oder Differenzgleichungen enthalten. Dies ist notwendig, damit endogene Schwankungen in dem Modell auftreten können.
Schwankungen werden in den Konjunkturmodellen durch Schocks ausgelöst. Diese treten entweder endogen (d.h. im Modell) auf, oder werden exogen verursacht. Das bekannteste (exogene) Konjunkturmodell stammt aus der keynesianischen Theorie und ist Gegenstand jeder volkswirtschaftlichen Veranstaltung: das Multiplikator-Akzelerator-Modell von Samuelson und Hicks.
Unterschied (Konjunktur)theorien und (Konjunktur)modelle
Sucht man im Internet nach dem Begriff Konjunkturmodell zeigt sich in den Suchergebnissen, dass die Autoren den Begriff oftmals leicht unterschiedlich interpretieren. Bei einigen Autoren entsprechen die vorgestellten Modelle den Konjunkturtheorien. Andere Autoren überspringen dagegen die Erklärung der verschiedenen theoretischen Modelle und erläutern detailliert spezifische bekannte Konjunkturmodelle aus bestimmten makroökonomischen Schulen oder unterscheiden die Modelle anhand ihrer empirischen Umsetzung.
Vor diesem Hintergrund erläutern wir kurz den Unterschied eines Modells und einer Theorie. Außerdem erklären wir, was ein gutes Modell ausmacht. Anschließend geben wir einen Überblick zu den zwei „großen Konjunkturmodellschulen.“ Je nachdem welche weiteren Quellen ihr anschließend als Information über Konjunkturmodelle heranzieht, könnt ihr diese dann anhand unserer Einführung bewerten und ergänzen. Ihr werdet so einen umfassenden und detaillierten Überblick zu den verschiedenen Konjunkturmodellen und ihrer empirischen Umsetzung erhalten. Für einen vollständigen Überblick zu diesem Themengebiet möchten wir euch an dieser Stelle die folgenden Artikel zur Konjunkturprognose, zu den Konjunkturtheorien und zu den Konjunkturursachen auf unserer Seite empfehlen.
Theorie: Sie soll Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in der Realität erklären und Prognosen ermöglichen. Eine Theorie kann aus Beobachtungen abgeleitet werden und besteht aus einem System begründeter Aussagen.
Modell: Unvollkommenes und vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit. Es beruht immer auf Annahmen. Es dient dazu, in einer vereinfachten Umgebung Theorien oder bestimmte Annahmen zu überprüfen.
Häufig werden beide Begriffe synonym verwendet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Theorien sehr mathematisch sind. Was z.B. auf den Konjunkturbereich zutrifft. Aber im Prinzip ist die Theorie der Überbau und ein Modell untersucht einen Teilaspekt dieser Theorie.
Von daher gelten die folgenden Unterschiede der beiden wichtigsten Konjunkturtheorien auch für die hieraus folgenden Konjunkturmodelle:
Unterschied im Aufbau der Konjunkturmodelle:
Aufbau Konjunkturmodelle
Ein Modell besteht immer aus exogenen und endogenen Variablen.
Exogene Variablen: Sie sind der Input des Modells. Sie werden außerhalb des Modells bestimmt und ermöglichen Aussagen über kausale Zusammenhänge. (zum Beispiel die Investitionen, die private und staatliche Nachfrage und der Außenbeitrag (Exporte – Importe)).
Endogene Variablen: Sie sind der Output des Modells. Sie werden innerhalb des Modells bestimmt. (Zum Beispiel das BIP)
Eigenschaften eines guten Konjunkturmodells:
Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft den Aufbau eines Konjunkturmodells. Ziel des Modells ist es immer, das BIP zu prognostizieren.
Nach der Verwendungsseite des BIP bildet sich dieses aus den Investitionen, dem Konsum, der Staatsnachfrage und dem Außenbeitrag (Exporte – Importe). Die vier Determinanten seht ihr in der Abbildung in der Zeile über dem BIP.
Diese Determinanten bildet die einfachste Darstellung einer Volkswirtschaft und ihrem Output. Je komplexer die wirtschaftlichen Verflechtungen in dem Modell nun dargestellt werden sollen, desto mehr Determinanten sind in dem Modell vorhanden. (vgl. für eine Darstellung der wirtschaftlichen Zusammenhänge unseren Artikel zum Wirtschaftskreislauf.)
Nimmt man z.B. die Investitionen als Ausgangspunkt, sieht man, dass ihre Höhe von den Gewinnen der Unternehmen abhängt. Die Gewinne sind wiederum abhängig von den gezahlten Löhnen. Aber die Höhe der Investitionen ist auch determiniert über die Zinshöhe.
Hier kommen jetzt die Handlungen der wirtschaftspolitischen Akteure ins Spiel. So beeinflusst die Geldpolitik die Höhe des Zinssatzes. Und die Tarifpolitik hat über die Tarifverhandlungen (immer noch) einen großen Einfluss auf die Höhe der gezahlten Bruttolöhne.
Mitnehmen sollte man aus dieser Abbildung, dass ein Konjunkturmodell eine komplexe Sache ist. Einfach deshalb, da auch eine Volkswirtschaft sehr komplex ist. Das Modell versucht möglichst detailliert die einzelnen Zusammenhänge zwischen zwei Faktoren „ceteris paribus“ darzustellen.
Da ein Modell per Definition ein unvollständiges Abbild der Realität ist, wird es dennoch niemals alle Faktoren berücksichtigen können. Zumal das Modell mit Daten aus der Vergangenheit bestückt wird. Und somit exogene und/oder unerwartet auftretende Ereignisse nur sehr schwer berücksichtigt und dargestellt werden können (z.B. politische Maßnahmen, Erwartungen, plötzliche Wirtschaftskrisen etc.).
Konjunkturmodelle
Im Folgenden stellen wir euch auf Grundlage der gezeigten Abbildung die beiden wichtigsten theoretischen Konjunkturmodelle vor. Hierbei handelt es sich um Keynesianische Konjunkturmodelle und das neoklassische Konjunkturmodell. Beide Modellarten haben den oben beschriebenen Modellrahmen als Grundlage. Sie unterscheiden sich aber aufgrund der unterschiedlichen Annahmen in der Wirkung einzelner Determinanten. Dies hat dann Auswirkungen auf die Höhe des geschätzten Bruttoinlandsproduktes.
Keynesianische Konjunkturmodelle
Keynesianische Konjunkturmodelle basieren auf der keynesianischen Theorie. Sie sind daher nachfrageorientiert. Zwei einfache, aber bekannte Konjunkturmodelle, die den Ursprung der keynesianischen Modelle darstellen, stammen von Paul. A. Samuelson und John R. Hicks.
Samuelson erklärte Konjunkturschwankungen mittels der Nachfrageseite des BIP in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Er geht aufgrund verschiedener Annahmen zu den Determinanten des BIP davon aus, dass Konjunkturschwankungen aufgrund des Verhältnisses von Investitionen zur Produktion entstehen oder verstärkt werden. Diese Annahme ist realistisch. Denn man kann davon ausgehen, dass der erzielbare Output stärker ansteigt als die Höhe der eingesetzten Investition. Die eingesetzten Investitionen wirken wie ein Akzelerator:
Die Investitionen erhöhen die Nachfrage der Unternehmen nach Zulieferprodukten für die Weiterverarbeitung. Damit werden dann auch Investitionen in den Zulieferunternehmen notwendig.
Für die Arbeitnehmer bedeutet die höhere Produktion letztlich ein höheres Einkommen. Dies bewirkt schließlich auf gesamtwirtschaftlicher Ebene, dass der Konsum ansteigt. Aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ergeben sich hieraus Folgeeffekte. Man spricht in diesem Fall von dem Begriff Multiplikator.
Erkenntnisse aus dem Samuelson-Modell:
- Multiplikator- und Akzeleratoreffekte erklären zusammen Konjunkturschwankungen in beide Richtungen
- Erkenntnis aus der Multiplikatoranalyse: Ein wichtiger Aspekt konjunktureller Schwankungen sind zeitliche Verzögerungen, mit denen die Anpassungsprozesse eintreten (sogenannte „time lags“)
Einschränkung des Modells aufgrund der Annahmen:
- Ausschließlich Betrachtung realer Größen
- Einfluss von Erwartungen unberücksichtigt
- Keine monetären Effekte in dem Modell (Preise werden als gegeben bzw. konstant angesehen)
Hieraus resultiert eine gewisse Realitätsferne des Modells. Dafür vereinfachen die Annahmen das Modell.
Hicks erweiterte das Samuelson-Modell, indem er Verhaltensannahmen über die Zeit, der Wirtschaftsakteure zu den BIP-Komponenten traf (insbesondere Konsum und Investitionen). Mit diesen Annahmen kann die Entwicklung des BIP bestimmt werden, wenn als Ausgangspunkt ein Gütermarktgleichgewicht angenommen wird.
Zentrale Erkenntnis von Hicks: Es liegt ein gleichgewichtiger Wachstumspfad vor, um den herum die Konjunktur schwankt. Im Prinzip handelt es sich hierbei um die Darstellung des Konjunkturzyklus, die sich an den Schwankungen um das Produktionspotenzial herum orientiert.
Neoklassische Konjunkturmodelle
Neoklassische Konjunkturmodelle sind den Konjunkturtheorien der Neuen Klassischen Makroökonomik zuzuordnen. Kern dieser Wirtschaftstheorie ist die Entwicklung mikrofundierter Totalmodelle auf Grundlage der neoklassischen Modelle. Dies bedeutet, dass in diesen volkswirtschaftlichen Makromodellen die neoklassische Sicht mit Erkenntnissen aus der Mikroökonomik, speziell zu Erwartungen der Wirtschaftssubjekte, kombiniert wird.
Die Grundannahmen für die hieraus entwickelten Konjunkturmodelle lauten dementsprechend:
- Vollständige Markträumung, da Preise vollständig flexibel sind
- Rationale Erwartungen: Wirtschaftsakteure nutzen alle verfügbaren Informationen effizient
- Neutralität des Geldes: Vorhersehbare Geldpolitik hat Einfluss auf Preise und Löhne, aber nicht auf das BIP, Beschäftigung und die Konjunktur
- Arbeitslosigkeit entsteht nur kurz- und mittelfristig aufgrund von Informationsdefiziten oder nach unten starren Löhnen.
- Konjunkturschwankungen können nur aufgrund unvollständiger Informationen oder unerwarteter exogener Politiken oder Einflüsse auftreten.
Ein bedeutendes Konjunkturmodell aus diesem Theoriestrang sind die sogenannten „Real-Business-Cycle-Modelle“:
Real-Business-Cycle-Modelle (RBC-Modelle):
Treten exogene oder unerwartete Schocks in dem Modell auf, beginnen sie in dem Modell in der jeweiligen Produktionsfunktion des entsprechenden Akteurs (z.B. Produktionsfunktion der Unternehmen oder Arbeitskräftefunktion). Hierin zeigt sich die Mikrofundierung des Modells. Von diesen Funktionen ausgehend, beeinflussen die Schocks dann das gesamtwirtschaftliche Angebot. Gemeinsam mit Verstärker- bzw. Multiplikatoreffekten treten dann Schwankungen im gesamtwirtschaftlichen Angebot auf. Im Gleichgewicht entspricht das Angebot der Nachfrage und damit dem BIP. In diesem Sinne können diese Schwankungen als Konjunkturschwankungen interpretiert werden.
Die Verstärkereffekte liegen in diesem Modell ebenfalls auf der Anbieterseite. Sie können z.B. durch den Entscheidungskonflikt der Anbieter des Faktors Arbeit auftreten, ob sie nun mehr Freizeit haben wollen oder mehr Stunden arbeiten. Inwieweit dieses angebotsseitige Konjunkturmodell mit seiner Mikrofundierung jetzt aber Konjunkturschwankungen erklären und prognostizieren kann, ist empirisch umstritten.
Zusammenfassung
Literatur
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