Aktualisiert: 6. April 2023

Staatsversagen: Definition & Bedeutung

Staatsversagen bedeutet, dass Eingriffe der Politik in den Wirtschaftskreislauf zu einer Verschlechterung des Zustandes führen. In diesem Artikel erklären wir die Definition des Begriffes. Und erläutern, wie die Neue Politische Ökonomie das Vorliegen von Staatsversagen begründet.

 

Definition

Staatsversagen: auch als Politikversagen bezeichnet. Kennzeichnet in der VWL die Situation, dass Staatseingriffe in den Markt zu suboptimalen Ergebnissen gemessen an der neoklassischen Theorie führen. Hierunter fällt eine ineffiziente Güterproduktion oder Instabilitäten. Nach der neuen politischen Ökonomie bildet Staatsversagen das Gegenstück zum Marktversagen.

Gemeinhin ist heute die Neue Politische Ökonomie als Erklärungsansatz für das Entstehen von Staatsversagen etabliert.

Nach diesem Ansatz beruht Staatsversagen auf zwei Unterfällen:

Politikversagen: (im engeren Sinn). Die politischen Entscheidungsprozesse führen zu gesamtgesellschaftlich unerwünschten Ergebnissen.

Bürokratieversagen: Es entsteht durch eine ineffiziente und unzweckmäßige Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung.

 

Hintergrund: Warum greift der Staat in den Markt ein?


Ausgangspunkt ist in der ökonomischen Theorie der vollkommene Markt

Über den Preis pendeln sich Angebot und Nachfrage immer in einem Gleichgewicht ein. Die in einer Volkswirtschaft verfügbaren Ressourcen werden über den so verteilt, dass ein sogenanntes Wohlfahrtoptimum bzw. Pareto-Effizienz vorliegen. Man spricht hierbei auch von einer effizienten Ressourcenallokation durch den Markt.

Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass dieser Marktprozess nicht gestört wird. D. h. es dürfen kein Marktversagen, keine Marktunvollkommenheiten oder externe Schocks vorliegen, die zu einer Ineffizienz des Marktgeschehens führen.

Wenn nun durch einen oder mehrere dieser Faktoren der Marktmechanismus gestört ist, rechtfertigt dies das Eingreifen des Staates, um die Markteffizienz wieder herzustellen.

Als Begründung für staatliches Handeln akzeptiert man in der Regel das Vorliegen von Marktversagen. Hierunter fallen das Vorliegen von asymmetrischen Informationen, die Bereitstellung von öffentlichen Gütern, Marktmacht in Form von Monopolen und Kartellen, sowie externe Effekte. 

Allerdings hat sich im Zeitablauf ein „Problem“ bei der sogenannten Theorie des Marktversagens als Erklärungsansatz für Staatseingriffe herauskristallisiert: 

Die Theorie des Marktversagens ist unvollständig. 

Sie kann nicht erklären, warum die politischen Akteure in der Realität anders handeln als es nach der ökonomischen Theorie sein sollte.

 

Es existieren die folgenden wichtigen Unterschiede zwischen den Empfehlungen der Theorie des Marktversagens und der praktischen Politik:

Der Marktfehler wird nicht behoben: Der staatliche Eingriff unterbleibt vollständig oder nicht ursachenadäquat.

Ein unnötiger Eingriff findet statt: Ein Eingriff in einen eigentlich funktionierenden Markt führt zu einer Verschlechterung des Marktmechanismus.

Ausdehnung der Staatstätigkeit über das notwendige Maß hinaus: Es werden mehr (öffentlich) Güter produziert, als von den Bürgern gewünscht werden. Zudem können Maßnahmen auch dann noch aufrechterhalten werden, wenn sie längst überflüssig geworden sind.  

Gefahr von statischer und dynamischer Ineffizienz im öffentlichen Sektor: Das Auftreten dieser Ineffizienzen liegt in den Anreizen der Bürokratie begründet und kann nicht von der Theorie des Marktversagens erklärt werden.

 

Historie: Ursachen von Staatsversagen in der VWL

 

Die Erklärungsansätze zum Staatsversagen in der VWL muss man im ökonomischen Methodenstreit zwischen den Neoklassikern, Keynesianismus und dem Neo- bzw. Ordoliberalismus interpretieren.

Grundsätzlich ging es bei der Entwicklung immer zuallererst um die Frage, inwieweit der Staat überhaupt in das Marktgeschehen eingreifen darf und wenn ja, in welchem Umfang.

Die Abbildung stellt den ersten Erklärungsansatz für Staatsversagen durch die Neoklassiker vor, sowie den aktuellen Erklärungsansatz der neuen politischen Ökonomie (public choice Ansatz).

Staatsversagen

Ganz traditionell wurde von den Neoklassiker die Auffassung eines sogenannten Nachtwächterstaates vertreten. Der Staat sollte nicht in den Markt eingreifen. Ein Politikfehler und damit Staatsversagen bestand dann, wenn das Problem fälschlicherweise nicht erkannt wurde und der Staat nicht eingriff. Der Marktfehler blieb bestehen. 

Die oben dargestellte Theorie des Marktversagens kann als Antwort auf die neoklassische Definition gesehen werden. Sie liefert Begründungen, warum und wann der Markt eben nicht effizient produziert und der Staat eingreifen muss.

Darüber hinaus unterstützte der Keynesianismus mit seinem Postulat einer staatlichen Konjunkturpolitik Staatseingriffe in den Markt. 

Als Antwort auf die keynesianische Denkrichtung muss man die Entwicklung der neuen politischen Ökonomie verstehen. Kern dieses Erklärungsansatzes ist nun, dass Staatsversagen aufgrund von Ineffizienzen im Politikprozess auftritt. Marktfehler werden bleiben hiernach nicht nur einfach bestehen, sondern werden verstärkt.

 

Erklärung von Staatsversagen: Neue politische Ökonomie


Die neue politische ökonomische Theorie umfasst alle Forschungsfelder, die politische Prozesse mit Hilfe ökonomischer Methoden analysieren. Hierzu zählt das Verhalten politischer Akteure wie Politiker, Wähler oder Interessensgruppen.

Grundannahme der neuen politischen Ökonomie ist die Annahme des Homo Oeconomicus. D. h. sie folgen den rein neoklassischen Annahmen der VWL, dass die Akteure rein rational und eigennützig handeln. Mittels dieser Annahmen und Interpretationen von politischen Akteuren erklärt sie, wieso es aufgrund von gruppenspezifischen Anreizstrukturen im Politikprozess zu gesamtgesellschaftlichen Staatsversagen kommen kann.

Anreizstrukturen im Politikprozess 

1. Anreize der Wähler

Die Beteiligung der Wähler am politischen Prozess findet überwiegend über das Abgegeben seiner Stimme bei einer Wahl statt. Man nimmt hierbei an, dass die Wähler nach ihrem Eigeninteresse wählen. D.h. sie sollten den Politiker wählen, dessen Wahlversprechen ihm den höchsten Nutzen bringt. Allerdings wissen Wähler auch, dass ihre einzelne Stimme insgesamt betrachtet nicht viel zählt.

Hieraus folgt ein Effekt, der rationale Ignoranz genannt wird. Wähler haben demnach nicht genügend Anreize, genügend Informationen zu sammeln, um umfassend sachkundige Entscheidungen treffen zu können. Sämtliche Informationsangebote, wie z. B. Informationsmaterial der Parteien, die Medien oder auch der Wahl-O-Mat, sind entweder nicht detailliert genug oder Interessen-behaftet.

Rationale Ignoranz: Tendenz, dass Wähler vor einer Wahl nicht genügend Informationen sammeln, um eine nach ökonomischen Annahmen des homo oeconomicus informierte Entscheidung treffen zu können.

2. Anreize der Politiker 

Man kann annahmen, dass Politiker dem öffentlichen Interesse dienen wollen. Allerdings sind sie hierfür auf ein Mandat und damit auf Wählerstimmen angewiesen. Ihre Handlungen und Entscheidungen sind demnach auf das Ziel ausgerichtet, Wählerstimmen zu gewinnen.

Ob einfacher Abgeordneter oder Mitglied der Regierung, es liegt demnach am ehesten im Interesse der Politiker, die Interessen ihres Wahlkreises zu repräsentieren, da sie dort gewählt werden. Hierbei können Politiker auch von der rationalen Ignoranz der Wähler profitieren, wenn ein Wahlkreis z. B. schon traditionell von einer bestimmten Partei geprägt ist und eine Wahl damit bereits aufgrund der Parteizugehörigkeit als sicher gilt.

3. Anreize der Bürokraten

Regierungen benötigen für die Umsetzung ihrer Beschlüsse Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den staatlichen Behörden. Hieraus folgt, dass insbesondere Staatsbeamte in hohen Positionen einen großen Einfluss auf die Regierung haben können. Folglich werden die Beamten danach streben, diesen Einfluss im Sinne ihrer Behörde zu fördern. Im Einzelnen kann das bedeuteten, dass versucht wird, das Budget der Behörde zu sichern oder auszuweiten, oder auch persönlich die eigene Karriere voranzutreiben.

Die Durchsetzung dieser Partikularinteressen muss nun nicht unbedingt ökonomisch effizient sein. Je nach wirtschaftlicher Situation, vornehmlich in einer Rezession, wäre manchmal besser in bestimmten Bereichen die Mittel zu senken, anstatt sie konstant zu halten oder zu erhöhen. Würde einer Behörde aber die Mittel gekürzt, hätte das für sie aber negative Folgen. Demzufolge kann ein Anreiz bestehen, ein ansonsten ökonomisch effizientes Ergebnis zu verhindern.    

Folgen der Anreizstrukturen im Politikprozess

1. Interessengruppeneffekt

Der Interessengruppeneffekt ist die zentrale Folge der Anreizstrukturen im Politikprozess. Und kann als Voraussetzung für das Zustandekommen von Staatsversagen bezeichnet werden. 

Kern der neuen politischen Ökonomie ist -wie dargestellt, dass die ökonomischen Annahmen auf den Politikprozess angewendet werden. Z.b. Politiker sind Güter und Wähler sind Konsumenten. Wenn sich Politiker nicht an den Interessen der Wähler orientieren, werden sie nicht wiedergewählt.

Das „Gut“ wird nicht mehr nachgefragt. Politiker setzen demnach große Mühe darauf, herauszufinden, was die Wähler wollen. Interessengruppen sind auch immer potenzielle Wähler. Je besser organisiert und sichtbarer eine Gruppe ist, desto eher erhält sie Zugang zu den Politikern und kann deren Informationsbedürfnis erfüllen. Und einer solchen Gruppe wird auch ein Politiker eher zuhören.

Zusammengefasst: Politiker tendieren dazu, denjenigen Gruppen besonders viel zuzuhören und insbesondere auch ihre Entscheidungen nach deren Informationen auszurichten, die über viel Wissen, ein starkes Netzwerk und Lobbyarbeit viel Macht entfalten können. 

Hieraus kann dann der sogenannte Interessengruppeneffekt entstehen. Er führt dazu, dass ein kleiner Anteil der Bevölkerung aufgrund der umgesetzten Entscheidung einen hohen Nutzen erhält, die Umsetzungskosten jedoch immer von der gesamten Bevölkerung getragen werden. Der Nutzen der Gewinner fällt geringer aus als die Kosten der Verlierer. 

Dies bedeutet dann, dass eine gesamtgesellschaftlich und ökonomisch ineffiziente Entscheidung getroffen wurde. Es liegt Staatsversagen vor.

Interessengruppeneffekt: Zustand, in dem der Nutzen einer kleinen Gruppe insgesamt geringer ausfällt als die Kosten, die daraus der Mehrheit der Bevölkerung entstehen. 

 2. Stimmentausch

Hierbei handelt es sich um einen Aspekt des Staatsversagens, der den eben beschriebenen Interessengruppeneffekt verstärken kann. Stimmentausch bzw. log rolling bezeichnet die Vereinbarung unter Politikern, einander bei Abstimmungen zu unterstützen.

Stimmentausch (logrolling): Vereinbarung unter Politikern, sich gegenseitig bei Abstimmungen zu unterstützen.

Ein Abgeordneter stimmt für den Vorschlag eines anderen Abgeordneten, von dem er zwar nicht überzeugt ist, der ihm aber auch nicht wirklich wichtig ist. Er tut dies, weil er weiß, dass der andere Abgeordnete irgendwann als Gegenleistung für seinen Vorschlag stimmen wird.

Ein Argument für Stimmentausch ist, dass dadurch auch die Interessen von kleineren Gruppen berücksichtigt werden können. Denn auch wenn ein Vorschlag einer kleinen Gruppe wichtig ist, betrifft er halt nicht die Gesellschaft als Ganzes und geht dann oft im politischen Prozess unter. Ohne Stimmentausch könnten ggf. effiziente Entscheidungen nicht umgesetzt werden. Ein Beispiel bieten hierfür die Verhandlungsformate auf EU-Ebene. Auch dort ist es immer wieder zu beobachten, wie schwierig es ist, die Interessen aller Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Auch die Interessen der „kleineren Mitgliedsländer“. 

Problematisch wird logrolling dagegen, wenn der Nutzen der Gewinner gegenüber den Kosten der Verlierer vernachlässigbar gering ist. Insgesamt kann es dann sogar passieren, dass der „Nettogewinn“ für die Gesellschaft geringer ausfällt als die Realisierungskosten. Als Beispiel für die Problematik wird hierfür gerne der Agrarsektor angeführt. Die Bevölkerung weiß, dass Agrarsubventionen gezahlt werden. Allerdings versteht kaum jemand im Detail, wie sie aufgebaut sind und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben. Für die Landwirte ist das Thema naturgemäß sehr präsent. Und es existieren dementsprechend Lobbygruppen, die zu dem Thema wirken. 

Insgesamt kann behauptet werden, dass die diversen Unterstützungsregelungen für die Gesellschaft eine Fehlallokation bedeuten. Für die Landwirte sind sie aber wichtig und teilweise sogar entscheidend, ob sie ihren Betrieb überhaupt weiterführen.  

3. Rent Seeking

Rent Seeking: Das Streben von Individuen oder Gruppen, eine Allokation der Ressourcen zu erreichen, durch sie höhere Einkommen bzw. Renten erzielen.

Der Begriff stammt aus der VWL und der Analyse von Märkten (z.B. Konsumentenrente) „Rente“ bezeichnet hierbei das Einkommen, das ein Individuum oder eine Gruppe erzielt. Diese partiellen Renten müssen aber nicht immer einen positiven Effekt auf die Gesellschaft haben, sondern können auch negative Auswirkungen haben. In der VWL spricht man hier von einem Wohlfahrtsverlust. 

Rent Seeking ist demnach das Streben einer Gruppe (oder eines Individuums) dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Ressourcen so verteilt werden, dass sie ein höheres Einkommen erzielen. Volkswirtschaftlich gesehen, haben diese Einkommen jedoch einen negativen Wert.

Als Beispiel kann hierfür im internationalen Bereich die Zollpolitik auf Industrieebene genannt werden. Insgesamt ist Freihandel Zöllen gesamtwirtschaftlich immer vorzuziehen. Allerdings können einzelne Gruppe durch die Zolleinnahmen Renten abschöpfen (auch der Staat).

Rent Seeking läuft also in der politischen Ökonomie darauf hinaus, dass eine Gruppe in der Lage ist, die Politik so weit zu beeinflussen, dass sie Vorteile erhält, wodurch ökonomischer Wohlstand (Einkommen) zu ihnen von anderen Gruppen aus umverteilt wird. 

4. Politischer Konjunkturzyklus: Kurzfristigkeit

Kurzfristigkeit bzw. politischer Konjunkturzyklus beschreiben eine Form, aufgrund derer Staatsversagen begünstigt werden kann. In den meisten Ländern sind die Legislaturperioden recht kurz. Sie liegen in der Regel bei vier oder fünf Jahren. In anderen Ländern können sie auch nur zwei Jahre betragen.

Für Politiker besteht demnach ein großer Anreiz darin, Maßnahmen zu unterstützen, die kurzfristig wirken, am besten am Ende der Legislaturperiode. Hierdurch erhöhen sich ihre Chancen auf eine Wiederwahl. Dieses Vorgehen ist „rational“ gesehen für die Politiker sinnvoller, als Projekte zu unterstützen, die zwar ggf. ökonomisch effizienter sind, aber sich deren Wirkung erst ggf. langfristig einstellt.

Als Beispiel -ohne von Staatsversagen zu sprechen- kann für dieses Vorgehen eine kreditfinanzierte Fiskalpolitik genannt werden, wie es von vielen EU-Ländern während der Wirtschaftskrise 2007/2008 gemacht wurde. Kurzfristig haben diese Ausgabenprogramme der Bevölkerung Nutzen gebracht (z.B. Ausgaben für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst), langfristig müssen die Kredite aber zurückgezahlt werden (oder zumindest muss der Staat mehr Zinsaufwendungen zahlen). Dies erfordert dann in der Zukunft Steuererhöhungen und Sparprogramme, die dann die gesamte Bevölkerung treffen. 

5. Ineffizienz des öffentlichen Sektors

Ein Beispiel für die Ineffizienz des öffentlichen Sektors sind die großen Privatisierungsprogramme der Industrieländer in den 1980er Jahren. Es wurden Staatsunternehmen privatisiert.

Privatisierung: Übertragung von Staatsvermögen in Privatbesitz.

Einer der Gründe für diese Programme war die Auffassung, dass die öffentliche Hand manche Aktivitäten nicht so effizient durchführen kann wie der private Sektor bzw. der Markt.

Denn (private) Unternehmen haben aufgrund des Motivs der Gewinnmaximierung und des vorherrschenden Wettbewerbs den Anreiz, Kosten zu senken und die Effizienz zu erhöhen.

Im öffentlichen Sektor herrscht dagegen eine andere Anreizstruktur vor. Schlussendlich wissen Manager von Staatsbetrieben, dass letztlich der Steuerzahler für Fehler einspringt. In Staatsbetrieben liegt demnach ein wesentlich geringeres Entscheidungsrisiko vor als im privaten Unternehmen. Daraus folgt aber auch, dass Manager in staatlichen Unternehmen, die Kosten einsparen und die Effizienz erhöhen, selten den gleichen Nutzen erwarten können, wie in der Privatwirtschaft. Folglich ist im öffentlichen Sektor Ineffizienz wahrscheinlicher als im privaten Sektor.

6. Ineffizienz des Steuersystems

Steuern gehören zum Leben. Allerdings gibt es Individuen, Gruppen, Unternehmen, die über das notwendige Wissen und die Ressourcen verfügen, auf legalem Weg Steuerzahlungen zu vermeiden. Es gibt genügend Steuerschlupflöcher. Steuervermeidung ist zwar legal, ist allerdings nicht im Sinne des Erfinders.

Nicht legal ist dagegen die Steuerhinterziehung. Hier wird verdientes Geld nicht versteuert. Beide Ausprägungen kennzeichnen Ineffizienzen des Steuersystems. Hierdurch gewinnen einzelne Gruppen oder Individuen, die über die entsprechende Kenntnis verfügen. Die Kosten für die Gesellschaft sind aber durch die entgangenen Einnahmen hoch.

Die Struktur des Steuersystems kann Steuervermeidung und Steuerhinterziehung begünstigen. Wenn man das System als unfair empfindet, ist der Anreiz hoch, es zu umgehen. In diesem Fall kann man dann auch von Staatsversagen sprechen.

7. Vetternwirtschaft

Wenn die Politik in den Markt eingreift, wird der Marktmechanismus gestört. Dieser Eingriff kann u. a. über Gesetze, Subventionen oder auch die Steuererhebung geschehen. Durch die Störung des Marktmechanismus besteht die Möglichkeit, dass die Allokation von volkswirtschaftlichen Ressourcen nicht mehr durch ökonomische, sondern durch politische Kräfte bestimmt wird. Die Ressourcenallokation ist eine primäre Funktion des Marktes

Von Vetternwirtschaft spricht man, wenn die politischen Kräfte durch Gefälligkeiten und Vorteilsmaßnahmen beeinflusst werden.

Eine Umsetzung von Vetternwirtschaft ist, wenn eine Regierung z. B. ein Gesetz erlässt oder Regulierungen einführt, die aus dem Einfluss von Interessensgruppen resultieren, wofür sie den Politikern oder der Regierung im Gegenzug Gefälligkeiten erweisen. 

Vetternwirtschaft: Situation, in der die Ressourcenallokation im Markt weniger durch die Marktkräfte, sondern mehr durch politische Entscheidungen und Vorteilsnahmen gesteuert wird.

Zusammenfassung

  • Staatsversagen: Eingriffe in den Markt führen zu suboptimalen Ergebnissen.  
  • Marktversagen gibt eine Begründung für Staatseingriffe. Staatsversagen begründet, warum Staatseingriffe nicht unbedingt zu Verbesserung führen müssen.
  • Politikversagen (im engeren Sinn) und Bürokratieversagen sind zwei Teilbereiche des Staatsversagens nach der neuen politischen Ökonomie. 
  • Der Ansatz der Neuen politischen Ökonomie (NPÖ) ist gegenwärtig als Erklärung für Staatsversagen akzeptiert. 
  • Die NPÖ erklärt das Verhalten politischer Akteure mittels ökonomischer Methoden. Da die Akteure interessengeleitet sind, führt dies zu Ineffizienzen im Politikprozess, was letztlich in Staatsversagen münden kann.

Literatur


  • Deimer, K. / M. Pätzold / V. Tolkmitt: Ressourcenallokation, Wettbewerb und Umweltökonomie, SpringerGabler, 2017.
  • Fritsch, Michael. Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Auflage, Franz Vahlen, 2014. 
  • Mankiw, G. und M. Taylor: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage, Schäffer-Poeschel, 2016.

Über die Autorin: 

Nadine Behncke

Promovierte Volkswirtin und überzeugte Europäerin. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Herausforderungen der EU mit ihren Auswirkungen und Folgen auf Deutschland und seine Bevölkerung. Sie schreibt auf Think About zu Politik, Wirtschaft & Geschichte in Europa, um Wissen zu vermehren und zur Diskussion beizutragen.


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