Aktualisiert: 27. Februar 2023

Wirtschaftskreislauf: So werden Wirtschaftsabläufe abgebildet

Der Wirtschaftskreislauf

Der Begründer der Kreislaufanalyse ist John Maynard Keynes. Ausgehend von den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren entwickelte er dieses Instrument. Er nutzte es, um mit diesem Ansatz gesamtwirtschaftliche Probleme zu analysieren.

Die Kreislaufanalyse ist die Basis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Ausgangspunkt der makroökonomischen Modelle und Analysen.

Grundlagen der Kreislaufanalyse

Eine Volkswirtschaft besteht aus unzähligen Wirtschaftssubjekten, die die verschiedensten Geschäfts- und Austauschbeziehungen miteinander pflegen. Der Wirtschaftskreislauf reduziert hier die Vielfalt dieser Beziehungen auf wenige überschaubare Größen. Die Kreislaufanalyse ist damit ein volkswirtschaftliches Modell.

Modell: Ein vereinfachtes Abbild der Realität

Für das Modell der Kreislaufanalyse werden mehrere Annahmen getroffen. Einige scheinen hierbei offensichtlich zu sein.. Doch sind auch die offensichtlichen Annahmen notwendig, um das Modell zu definieren:

1. Volkswirtschaft (Welchen Raum bildet der Wirtschaftskreislauf ab?):

Der Raum, an dem die Wirtschaftssubjekte den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Betätigung ausüben oder ihren Wohnsitz haben. Die Volkswirtschaft ist als Inland definiert und grenzt sich so von der Weltwirtschaft ab.

2. Aggregatgrößen:

Es werden die Sektoren private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland gebildet. In Anlehnung an die Anfangsbuchstaben bildet die Kreislaufanalyse somit das volkswirtschaftliche H-A-U-S ab. Evtl. wird noch der Kapitalmarkt bzw. die Banken als eigenständiger Sektor betrachtet. Mit Hilfe dieser Sektoren können die verschiedenen ökonomischen Vorgänge, wie z.B. der Konsum der Haushalte zusammenfassen. Je nach Einbeziehung der verschiedenen Aggregate entstehen verschiedene Kreislauf-Modelle.

3. Wirtschaftsobjekte:

Hierzu zählen Waren, Dienstleistungen, Rechte und Patente. Man unterscheidet zwischen Leistungstransaktionen und Finanztransaktionen.

Leistungstransaktionen: Der Kauf von Gütern stellt z.B. eine Leistungstransaktion dar. Sie verändert die Höhe des Geldvermögens der Wirtschaftssubjekte.

Finanztransaktionen: z.B. die Aufnahme eines Kredites. Sie führt zu einer anderen Zusammensetzung des Geldvermögens der Wirtschaftssubjekte.

4. Ökonomische Aktivitäten:

Hierzu zählen:

1. Güter produzieren und verwenden

2. Einkommen erzielen, empfangen und verwenden

3. Vermögen bilden

Darstellungen des Wirtschaftskreislaufs

Wie oben bereits geschrieben ist der Wirtschaftskreislauf ein makroökonomisches Modell. Je nach ökonomischer Fragestellung gibt es auch verschiedene Modelle, also Wirtschaftskreisläufe.

Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen vier Wirtschaftskreisläufen:

1. zwei-Sektoren Modell (einfacher Wirtschaftskreislauf): geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat

2. drei-Sektoren Modell + Banken: geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat, mit Bankensektor

3. vier-Sektoren Modell: geschlossene Volkswirtschaft mit Staat und Banken

4. fünf-Sektoren Modell: offene Volkswirtschaft mit Staat, Banken und Ausland

Je nach Informationsquelle unterscheidet sich die Anzahl der Kreisläufe ein wenig. Bei manchen Darstellungen wird das Zwei-Sektoren-Modell + Banken nicht extra gewertet. Wir gehen im folgenden auf die einzelnen Wirtschaftskreisläufe näher ein.

Trotz ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung weisen alle Wirtschaftskreisläufe Gemeinsamkeiten in ihrer Ausgestaltung auf.

Ein Kreislauf besitzt...

1. Pole: Dies sind die verschiedenen Sektoren bzw. Aggregate. Sie stellen den Ausgangs- und Endpunkt der verschiedenen Ströme dar.

2. Ströme: Dies sind die zeitraumbezogenen Größen, die im Kreislauf erfasst werden. Die Ströme werden in Geldeinheiten bewertet.

Wichtig ist zudem, dass jeder Kreislauf geschlossen ist. D.h. die Summe der Ströme, die zu einem Pol hinfließt, entspricht dem Wert aller abfließenden Ströme.

Ein Wirtschaftskreislauf kann auf verschiedene Arten dargestellt werden:

1. Grafisch

2. Gleichungssysteme

3. Matrizen

4. Kontendarstellungen

Am intuitivsten ist die grafische Darstellung, die wir auch verwenden. Gleichungssysteme werden überwiegend für tiefergehende makroökonomische Analysen verwendet. Und die Kontendarstellungen sind als Basis für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wichtig.

Einfacher Wirtschaftskreislauf

einfacher wirtschaftskreislauf

Der einfache Wirtschaftskreislauf beschreibt den Kern einer Volkswirtschaft. Dieses Modell berücksichtigt nur die Unternehmen und die Haushalte. In seiner einfachsten Form reichen diese beiden Sektoren, um eine Volkswirtschaft abzubilden. Denn letztlich stellt sie einen Markt dar, auf dem Waren gehandelt werden. Hierzu sind ein Angebot und eine Nachfrage notwendig.

Unternehmen = Angebot

Haushalte = Nachfrage

Diese Definition ist etwas vereinfacht. Denn wie die obige Abbildung zeigt, sind sowohl Unternehmen als auch Haushalte Anbieter und Nachfrager.

Dies liegt daran, dass es zwei Arten von Märkten gibt:

1. Gütermärkte: Hier werden die produzierten Güter verkauft

2. Faktormärkte: Kapital, Boden, Arbeit sind die Faktoren mit denen Güter produziert werden.

Aufgrund der beiden Märkte in einer Volkswirtschaft existieren auch zwei Kreisläufe oder Ströme, welche die Beziehungen zwischen den Sektoren einheitlich beschreiben.

Verknüpfung von Güter- und Faktormärkten:

1. Geldkreislauf: Geldmenge x Umlaufgeschwindigkeit

Geldstrom: Er besteht aus dem Einkommen und den Konsumausgaben der Haushalte sowie den Einnahmen und Ausgaben der Unternehmer.

2. Güterkreislauf: Preise x Transaktionen

Güterstrom: Hier fließen die Güter von den Unternehmen zu den Konsumenten und die Produktionsfaktoren von den Haushalten zu den Unternehmen.

Der einfache Wirtschaftskreislauf bildet nun folgende Beziehungen zwischen Haushalten und Unternehmen ab:

Die Haushalte stellen den Unternehmen ihre Arbeitskraft (Produktionsfaktor) zur Verfügung. Hierdurch kann das Unternehmen Güter produzieren. Für geleistete Arbeit erhalten die Haushalte ein Einkommen. Dieses Einkommen verwenden sie, um benötigte Güter zu erwerben, die von den Unternehmen produziert worden sind.

Haushalt: Anbieter von Arbeit + Konsument

Erweiterter Wirtschaftskreislauf

erweiterter wirtschaftskreislauf

Im erweiterten Wirtschaftskreislauf erweitern wir nun das vorherige 2-Sektoren-Modell. Und zwar berücksichtigen wir hier die Existenz von Banken (bzw. Kapitalmarkt/Kapitalsammelstellen). Für die Volkswirtschaft ist dies ein wichtiger Sektor.

Das Modell geht davon aus, dass die Haushalte nicht ihr vollständiges Einkommen für den Konsum ausgeben. Stattdessen sparen sie auch einen Teil. Hier kommt jetzt die Bedeutung des Kapitalmarktes ins Spiel. Er „verwaltet“ vereinfacht formuliert diese Ersparnisse der Konsumenten. Und gibt sie als Kredite an die Unternehmen. Über den Kapitalmarkt erhalten die Unternehmen die Ersparnisse der Haushalte, um damit Investitionen durchzuführen.

In einer geschlossenen Volkswirtschaft gilt damit die fundamentale Beziehung:

Ersparnisse = Investitionen

Vollständiger Wirtschaftskreislauf

vollständiger wirtschaftskreislauf

Ohne den Staat wäre eine Volkswirtschaft nicht komplett. Der vollständige Wirtschaftskreislauf berücksichtigt deshalb den Sektor Staat.

Der Staat hat Beziehungen zu allen drei übrigen Sektoren. Deswegen sieht die obige Grafik auf den ersten Blick recht kompliziert aus. Betrachtet man jeweils nur die Beziehung zwischen dem Staat und einem anderen Sektor ist auch dieser Kreislauf einfach zu verstehen.

Unabhängig von der betrachteten Beziehung gilt aber immer folgendes:

1. Der Staat erhält Einnahmen (in der Regel Steuern)

2. Der Staat tätigt Ausgaben

1. Staat – Haushalte: Von den Haushalten erhält der Staat Steuern und Sozialabgaben. Dies bildet für ihn eine direkte Einnahmequelle. Andererseits erhalten die Haushalte vom Staat Transferleistungen.

2. Staat – Unternehmen: Wie bei den Haushalten erhält der Staat auch von den Unternehmen Steuern. Andererseits gewährt er ihnen auch Subventionen. Auch tritt der Staat gegenüber Unternehmen als Konsument auf: Über staatliche Käufe greift er zuweilen direkt ins Marktgeschehen ein.

3. Staat – Finanzsektor: Der Staat hat Einnahmen (Steuern) und Ausgaben (Käufe, etc.). Demzufolge besitzt er auch ein Haushaltsbudget. Dieses Budget kann Überschüsse oder Defizite aufweisen. Der Finanzsektor verwaltet wieder dieses Budget. Die Überschüsse werden hier gesammelt und stehen als staatliche Ersparnisse dem Kreditmarkt zur Verfügung. Defizite kann der Staat dagegen durch eine staatliche Kreditaufnahme ausgleichen.

Dieses Modell eines Wirtschaftskreislaufs bildet eine vollständige (geschlossene) Volkswirtschaft ab.

Offene Volkswirtschaft

wirtschaftskreislauf offene volkswirtschaft

Erweitert man den vollständigen Wirtschaftskreislauf um den „Sektor Ausland“, spricht man von einer offenen Volkswirtschaft. Dieses Modell ist in der obigen Abbildung dargestellt.

Der Sektor Ausland hat mit jedem der übrigen Sektoren Beziehungen. Der Übersichtlichkeit halber haben wir in der Grafik die Beziehung zwischen dem Ausland und dem Staat nicht berücksichtigt, da sie mengenmäßig und für das Gesamtverständnis eher vernachlässigbar sind.

1. Ausland – Unternehmen: Die Export- und Importzahlungen geschehen zwischen diesen beiden Sektoren. Die Produktion, die inländische Unternehmen nicht auf dem Heimatmarkt absetzen, können sie ins Ausland exportieren. Andererseits können sie auch Güter aus dem Ausland importieren.

2. Ausland – Haushalte: Es fließen Faktoreinkommen vom Ausland an die inländischen Haushalte. Oder es fließen Faktoreinkommen ins Ausland. Ein Beispiel wären hier die Löhne, die Gastarbeiter ins Ausland senden.

3. Ausland – Finanzsektor: Aus den Beziehungen zwischen Ausland und Haushalten/Unternehmen ergibt sich, wie das Inland gegenüber dem Ausland dasteht. Dies wird in der Beziehung zwischen Ausland und dem Finanzsektor beschrieben. Sie manifestiert sich in einem positiven oder negativen Außenbeitrag (hier: Leistungsbilanz und dazugehöriger Kapitalstrom).

Positiver Außenbeitrag: Exporte > Importe (Nettoexport, Geld fließt in Inland)

Negativer Außenbeitrag: Exporte < Importe (Nettoimport, Geld fließt ins Ausland)

Zusammenfassung

  • Einfaches und oft unterschätztes Modell
  • Liefert wichtige Einsichten über makroökonomische Zusammenhänge
  • Man unterscheidet zwischen dem einfachen, erweiterten und vollständigen (+ Ausland) Wirtschaftskreislauf.
  • Stellt die Volkswirtschaft in Aggregaten dar und die Beziehungen als dazugehörige Ströme.
  • Ausgangspunkt aller makroökonomischen Analysen und Grundlage der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

Über die Autorin: 

Nadine Behncke

Promovierte Volkswirtin und überzeugte Europäerin. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung und Herausforderungen der EU mit ihren Auswirkungen und Folgen auf Deutschland und seine Bevölkerung. Sie schreibt auf Think About zu Politik, Wirtschaft & Geschichte in Europa, um Wissen zu vermehren und zur Diskussion beizutragen.


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