Giffen-Gut ist ein Gut, bei dem mit steigendem Preis die Nachfrage steigt. Es stellt einen Sonderfall in der Güter-Klassifikation dar. In diesem Artikel stellen wir das Gut vor. Wir zeigen euch, welche Auswirkungen es auf das Marktgleichgewicht haben kann. Außerdem stellen wir Beispiele vor und beschreiben einführend die Unterscheidung zwischen einem inferioren Gut und des Giffen-Gutes auf Basis des Einkommenseffektes.
Definition Giffen-Gut einfach erklärt
Giffen-Gut: Ein Gut heißt Giffen-Gut, wenn bei gegebenen Preisen und Einkommen die Nachfrage des Gutes steigt, wenn sein Preis steigt. Es handelt sich um ein inferiores Gut mit einer positiven Preiselastizität.
Normales Gut: Ein Gut heißt „normales oder gewöhnliches Gut“, wenn bei gegebenen Preisen und Einkommen, die Nachfrage des Gutes steigt, wenn sein Preis sinkt.
Das Giffen-Gut ist ein besonderes Gut in der Mikroökonomie und Volkswirtschaft. Im Normalfall steigt die Nachfrage eines Gutes bei fallendem Preis (normales Gut). Das Giffen-Gut stellt nun einen Ausnahmefall: Hier steigt die Nachfrage, wenn der Preis steigt. Man spricht auch vom Giffen-Paradox.
Gründe für ein Giffen-Gut
Zusammengefasst kann es zwei Gründe geben, warum ein Gut von Konsumenten als Giffen-Gut angesehen wird:
1. Der Konsument lebt nahezu am Existenzminimum
Wenn der Konsument das Gut dringend benötigt, muss er es auch trotz Preiserhöhung weiterhin in derselben Menge oder stärker nachfragen. Das klassische Beispiel sind hierfür Grundnahrungsmittel wie Reis, Kartoffeln oder Brot. Der Konsument fragt dann weniger Güter nach, die er nicht so dringend benötigt und verwendet sein (konstant gebliebenes) Einkommen vermehrt für das Grundnahrungsmittel.
2. Snobeffekt
Der Snobeffekt besagt, dass manche Konsumenten ein Gut erst dann nachfragen, wenn es etwas Besonderes ist und nur exklusiv oder in begrenzter Anzahl zu erwerben ist. Diese Exklusivität rechtfertigt dann auch den höheren Preis. In diesem Sinne steigt die Nachfrage nach dem Gut bei steigendem Preis. Bzw. sinkt, wenn der Preis sinkt. Dieser Snobeffekt tritt allerdings nur vereinzelt auf. Insofern werden solche Güter nicht als Giffen-Gut bezeichnet. Auch, wenn per se die Definition auf den ersten Blick zutrifft. Ansonsten wären jede Sonderedition eines Produktes, die Exklusivität über einen höheren Preis darstellt, oder ein Luxusgut, ein Giffen-Gut.
Hintergrund und Standard-Beispiel
Giffen-Güter werden nach dem schottischen Ökonomen Robert Giffen benannt. Ob diese Zuschreibung korrekt ist, ist bis heute umstritten. Der klassische Ökonom Alfred Marshall nahm diese Zuschreibung in seinem Lehrbuch vor. Als Standard-Beispiel für ein Giffen-Gut wurde dort angeführt, dass arme Menschen in England in der damaligen Zeit auf eine Preissteigerung des Grundnahrungsmittels Brot mit einer Nachfragesteigerung des Gutes reagierten.
Das Beispiel gilt in dieser einfachen Form mittlerweile als widerlegt. Der Nachweis der Existenz des Giffen-Gutes führte in der damaligen klassischen ökonomischen Forschung zu vielen Diskussionen und theoretischen Modellentwicklungen. Gemeinhin werden Giffen-Güter als theoretisches Konstrukt angesehen. Erst in neuerer Zeit gab es einen „wissenschaftlichen“ Beleg für die Existenz von Giffen-Gütern. Im Zuge der wirtschaftlichen Relevanz der Auswirkungen von Preisänderungen auf die Nachfrage, macht die Beschäftigung mit dem Fall des Giffen-Gutes auch dann Sinn, wenn es sich nur um einen Ausnahmefall handelt.
Giffen-Gut, Nachfragekurve und Marktgleichgewicht
Die Grafik zeigt ein einfaches Preis-Mengendiagramm. Es ist die Nachfragekurve für ein Giffen-Gut abgebildet. Für die Darstellung der Nachfragekurve bedeutet die Abbildung des Giffen-Gutes, dass die Kurve steigt. Gemäß der Definition, dass dieses Gut mit steigendem Preis, stärker nachgefragt wird.
Für gewöhnlich haben Nachfragekurven einen fallenden Verlauf. Eine „Lieblingsübung“ von angehenden Volkswirten ist es ja, im Studium die Auswirkungen von Preisänderungen auf das Marktgleichgewicht in einem Angebots-Nachfrage-Diagramm zu analysieren.
Wie würde dieses Diagramm nun aussehen, wenn man diesen „anormalen“ Verlauf einer Nachfragekurve für ein Giffen-Gut annehmen würde? Und welche Auswirkungen hätte dies auf die Existenz und Stabilität eines Marktgleichgewichtes?
Die folgende Abbildung gibt die Antwort:
Die anormale Reaktion der Konsumenten auf Preisänderungen bei einem Giffen-Gut bedeutet technisch formuliert, dass hier eine nichtmonotone Marktnachfragefunktion vorliegt.
Es sind nun zwei Möglichkeiten denkbar:
1. Kein Marktgleichgewicht: Die Nachfrage- und Angebotskurve schneiden sich niemals.
2. Mehrere Marktgleichgewichte: Eine andere Möglichkeit wäre, dass bei einem Giffen-Gut mehrere Marktgleichgewichte existieren können. Bedenkt, dass es sich bei der Marktnachfragefunktion, um die aggregierte Nachfrage aller Konsumenten handelt. Nicht für jeden Konsumenten liegen die Präferenzen für das Gut x1 so, dass es sich um ein Giffen-Gut handelt. Von daher kann die Nachfragekurve die Steigung wechseln. Bis zum Wendepunkt nach Gleichgewicht A liegt ein normaler Verlauf vor. Anschließend erkennt man den Giffen-Verlauf der Nachfrage (Gleichgewicht B). Um schließlich wieder einen normalen Verlauf anzunehmen (Gleichgewicht C).
Mitnehmen sollte man aus dieser Grafik zwei Punkte:
1. Konsumentenpräferenzen bestimmen, dass ein Gut ein Giffen-Gut ist
Ein Giffen-Gut wird zwar über die anormale Nachfragereaktion aufgrund einer Preisänderung definiert. Es sind aber die Konsumentenpräferenzen, die bestimmen, wie der Konsument auf Preisänderung reagiert. Es ist damit der Konsument, der bestimmt, wann ein Gut ein Giffen-Gut ist. Es liegt nicht im Gut begründet, dass ein Gut ein Giffen-Gut ist.
2. Güterarten und Marktunvollkommenheiten
Liegt eine nichtmonotone Marktnachfragefunktion vor, kann die Existenz und Stabilität des Marktgleichgewichtes gefährdet sein. In der Mikroökonomik untersucht man auch, wie Marktunvollkommenheiten zu einer Störung des Gleichgewichtes beitragen. Hierzu zählen z.B. externe Effekte, asymmetrische Informationen oder auch öffentliche Güter. Hier sehen wir, dass auch Konsumentenpräferenzen bzw. das Nachfrageverhalten von Konsumenten auf bestimmte Güter zu einer Störung des Gleichgewichtes beitragen können.
Es stellt sich damit die Frage, welche Faktoren die Konsumentscheidung der Konsumenten bestimmen, und wie dann ein Giffen-Gut definiert wird.
Güterklassifikation und Elastizitäten: Wann ist ein Gut ein Giffen-Gut?
In der Mikroökonomik beschäftigt sich die Haushaltstheorie mit den Konsumdeterminanten des einzelnen Konsumenten bzw. Wirtschaftssubjekts. Neben seinen Präferenzen bestimmen der Preis des relevanten Gutes, die Preise anderer Güter, sowie das verfügbare Einkommen, wie viele und in welcher Kombination ein Konsument Güter nachfragt.
Die folgende Grafik klassifiziert Güter nach diesen Determinanten.
Gemäß der Definition des Giffen-Gutes liegt in Gut x1 ein Giffen-Gut vor, wenn der Preis von Gut x1 steigt und seine Nachfrage steigt. Das Giffen-Gut wird damit in erster Linie über einen direkten Preis-Nachfrage-Zusammenhang definiert.
Die Beziehung zwischen Einkommen und Nachfrage definiert, wann ein Gut ein inferiores Gut. Im Normalfall steigt die Nachfrage mit steigendem Einkommen. Sinkt die Nachfrage dagegen, handelt es sich um ein inferiores Gut.
In der Definition am Anfang des Artikels haben wir geschrieben, dass ein Giffen-Gut ein inferiores Gut ist, welches eine positive Preiselastizität besitzt. D.h. ein Giffen-Gut kann nicht nur über die Preiselastizität definiert werden, sondern auch über die Einkommenselastizität.
Hinweis:
Einkommenselastizität: Sie misst, wie sich eine Einkommensänderung auf die Nachfrage eines Gutes auswirkt
Preiselastizität (der Nachfrage): Sie misst, wie sich eine Preisänderung von Gut Xn auf die Nachfrage des Gutes Xn auswirkt.
Mehr Informationen hierzu in den relevanten Artikeln.
Einkommens- und Substitutionseffekt: Inferiores Gut und Giffen-Gut
Die Abbildung stellt das Giffen-Gut bzw. Giffen-Paradox aus Sicht des Optimierungsproblems des Konsumenten dar. Diese Optimierungsentscheidung erfolgt auf Basis der eben beschriebenen Determinanten Einkommen und Preise. Man geht bei der Optimierungsberechnung in der mikroökonomischen Analyse immer von dem einfachen Fall aus, dass der Konsument zwei Güter x1 und x2 nachfragt. Sein Einkommen wird er nun auf die zwei Güter aufteilen. Dies wird durch Budgetgerade dargestellt. Er wird sein Einkommen unter Berücksichtigung der Preise so aufteilen, dass sein Nutzen optimiert wird. Die Güterkombination, die ihm den optimalen Nutzen bringen, werden durch die Indifferenzkurve dargestellt. Im Schnittpunkt aus Budgetgerade und Indifferenzkurve liegt für den Konsumenten das Optimum vor (Punkt A).
In der Grafik gehen wir davon aus, dass Gut x1 ein normales Gut ist und Gut x2 ein Giffen-Gut. Gemäß den anfangs gezeigten Beispielen gehen wir von Brot (Grundnahrungsmittel) aus.
Jetzt schauen wir uns an, wie sich eine Preiserhöhung von dem Giffen-Gut auswirkt. Wir kennen das Ergebnis bereits: Die Nachfrage nach x2 muss gemäß der Definition steigen.
In der Grafik bedeutet dies, dass sich die Budgetgerade nach links unten bzw. nach innen dreht. Im Ergebnis erhält der Konsument ein neues Optimum in Punkt B. Die Nachfrage nach dem Giffen-Gut ist gestiegen. Die Nachfrage nach dem normalen Gut (x1) ist gesunken. Der Grund ist hierfür, dass sich der Konsument einem neuen Optimierungsproblem gegenübersieht.
Doch warum jetzt diese Lösung erreicht wird, und warum ein Giffen-Gut ein inferiores Gut ist, wird aus dieser Grafik nicht ersichtlich. Hier fehlt ein Zwischenschritt, wie man von Punkt A nach Punkt B gelangt.
Und zwar zeigt die Grafik nur den Gesamteffekt der Preisänderung auf die Nachfrage. Man kann diesen Effekt aber in zwei Effekte aufteilen: In einen Einkommens- und Substitutionseffekt.
Zur Veranschaulichung ist diese Effekt-Aufteilung in der folgenden Grafik abgebildet. Hinweis: Sie zeigt NICHT den Fall eines Giffen-Gutes.
Was sollte man aus dieser Grafik mitnehmen?
Gesamteffekt = Substitutionseffekt + Einkommenseffekt
Einkommenseffekt: Aufgrund der Preisänderung verändert sich das reale Einkommen. Bei konstantem Einkommen und einem Preisanstieg eines Gutes sinkt das „reale“ Einkommen des Konsumenten, das er für die Güter verwenden kann. In der Grafik verschiebt sich die Budgetgerade.
Substitutionseffekt: Aufgrund der Preiserhöhung ist Gut 1 teurer als Gut 2. Sofern möglich wird der (rationale) Konsument deshalb Gut 1 durch Gut 2 ersetzen (substituieren). Dieser Effekt wird durch eine Drehung der Budgetgerade dargestellt.
Ob ein Gut nun inferior und ein Giffen-Gut ist, entscheidet sich dadurch, welcher der beiden Effekte überwiegt. Währung der Substitutionseffekt von der Wirkung her eindeutig ist, ist die Richtung der Wirkung beim Einkommenseffekt unklar.
Regeln:
(relativ) Inferiores Gut: Bei einem Inferioren Gut betrachtet man die Beziehung zwischen Einkommen und Nachfrage. Mit sinkendem Einkommen steigt die Nachfrage. Der Einkommenseffekt fällt bei einer Preiserhöhung kleiner als der Preiseffekt aus.
(absolutes) Inferiores Gut: Ein Giffen-Gut ist ein (absolutes) bzw. extremes inferiores Gut. Hier ist der Einkommenseffekt größer als der Substitutionseffekt. D.h. die Preiserhöhung führt dazu, dass die Nachfrage steigt. Bei einem (relativen) inferioren Gut ist dies nicht der Fall.
Ein Giffen-Gut ist immer ein inferiores Gut. Ein inferiores Gut muss aber kein Giffen-Gut sein. Anders formuliert: Das Giffen-Gut ist ein Spezialfall des inferioren Gutes.
Praxisbeispiele für ein Giffen-Gut
Die Wirkungen des Einkommens- und Substitutionseffektes zeigen, warum es in der Realität so schwierig ist, Giffen-Güter zu bestimmen. Obgleich sie vornehmlich als interessantes theoretisches Konstrukt gelten, gab es in den letzten Jahren einige Versuche Giffen-Güter in der Realität zu finden.
Beispiel 1: Feldexperiment: Reis in China
Die Harvard-Ökonomen Robert Jensen und Nolan Miller haben im Jahr 2006 in einem Feldexperiment in Huan nachgewiesen, dass es Giffen-Güter gibt. Sie haben den eingangs dargestellten ersten Grund für die Existenz eines Giffen-Gutes bewiesen. In Huan sind die meisten Menschen sehr arm und ernähren sich überwiegend von Reis und in geringerem Maß von Fleisch und Gemüse. Reis ist damit das Grundnahrungsmittel. In ihrem Experiment konnten die Ökonomen nun überzeugend bei den Teilnehmern ein „Giffen-Verhalten“ beobachten. Und zwar simulierten sie über die Vergabe von Gutscheinen eine Preissenkung für Reis. Infolge dieser indirekten Preissenkung reduzierten die weniger armen Teilnehmer ihren Reiskonsum. D.h. bei den Teilnehmern, die sich auch das teurere Gut Fleisch leisten konnten, führte die Preissenkung von Reis, zu einem geringeren Reiskonsum und stattdessen zu einem höheren Fleischkonsum.
Zur Erinnerung: Ein Giffen-Gut liegt vor, wenn bei sinkendem Preis die Nachfrage sinkt bzw. bei steigendem Preis die Nachfrage steigt.
Die Studie wird heute als Beleg für die Existenz von Giffen-Gütern angesehen.
Beispiel 2: Regionale Studie: Bier auf dem Oktoberfest
Stichwort Alltags-Ökonomie: Mit einem Augenzwinkern kann man die Analyse von Thomas Strobel und Tobias Rühl von UniCredit Bank als reales Beispiel für ein Giffen-Gut anführen. Die zwei Ökonomen haben sich die Entwicklung des Bierkonsums auf dem Oktoberfest und die dazugehörige Preisentwicklung angeschaut. Sie haben einen sogenannten „Wiesn Visitor – Preisindex“ entwickelt. Die Beziehung zwischen Pro-Kopf-Bierkonsum und Preisindex zeigt sehr deutlich einen positiven Zusammenhang. Insofern folgern die Wissenschaftler, dass sich Oktoberfestbier wie ein Giffen-Gut verhält.
Mehr Informationen zu diesem Beispiel findet ihr in einer Veröffentlichung der UniCredit Bank und in einem Artikel der FAZ.
fAQ: Häufige Fragen zum Giffen-Gut
Ein Giffen-Gut ist ein ökonomisches Konzept, bei dem die Nachfrage eines Gutes steigt, obwohl der Preis steigt. Es widerspricht der normalen Gesetzmäßigkeit, dass die Nachfrage mit steigendem Preis abnimmt.
Ein Giffen-Gut tritt auf, wenn das Einkommen begrenzt ist und der Preis eines Gutes steigt. In diesem Fall tendieren Konsumenten dazu, mehr von diesem Gut zu kaufen, da es ein Grundnahrungsmittel ist und sie weniger Geld für andere Güter haben.
Das Einkommen spielt eine entscheidende Rolle, da Konsumenten bei einem Anstieg des Gutpreises weniger Geld für andere Güter haben, was zu einer erhöhten Nachfrage nach dem Giffen-Gut führt.
Bei normalen Gütern steigt die Nachfrage üblicherweise bei sinkendem Preis und umgekehrt. Ein Giffen-Gut ist eine Ausnahme, da die Nachfrage trotz steigendem Preis zunimmt.
Beispiele für mögliche Giffen-Güter sind grundlegende Nahrungsmittel wie Reis oder Brot in bestimmten Situationen, in denen die Preise stark ansteigen und das verfügbare Einkommen begrenzt ist.
Obwohl das Konzept theoretisch interessant ist, sind praktische Beispiele für Giffen-Güter selten. In der realen Wirtschaft haben normale Güter meist ein nachvollziehbares Nachfrageverhalten gemäß dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.