Die Preisniveaustabilität ist eines der wirtschaftspolitischen Ziele im magischen Viereck der sozialen Marktwirtschaft. In diesem Artikel geben wir euch einen Überblick zu Definition und Bestandteilen der Preisniveaustabilität. Außerdem erläutern wir, warum dieses Ziel gesamtwirtschaftlich von Bedeutung ist.
Begriff und Hintergrund
Preisniveaustabilität bezieht sich auf die Stabilität des durchschnittlichen Preisniveaus in einer Volkswirtschaft. Der Begriff besagt nicht, dass die Preise der einzelnen Güter stabil sein sollen. Einzelne Preise können damit sinken oder steigen.
Hieraus folgt auch, dass das Ziel der Preisniveaustabilität damit nicht gleichbedeutend mit einer Inflationsrate von null ist. Es soll auch Deflation vermeiden. Oder einfach zusammengefasst: Das Preisniveau soll im Durchschnitt stabil sein.
Inflation: Positive Wachstumsrate des durchschnittlichen Preisniveaus im Zeitablauf.
Deflation: Wachstumsrate des durchschnittlichen Preisniveaus sinkt. Oder das durchschnittliche Preisniveau sinkt insgesamt.
Preisniveaustabilität ist ein Begriff aus der Makroökonomik. Er wird häufig synonym verwendet mit den Begriffen „Preisstabilität“ oder „Geldwertstabilität“.
Abgrenzen muss man von diesem in der makroökonomischen Wirtschaftspolitik verwendeten Ziel den mikroökonomischen Preismechanismus. Außerdem ist noch die Begrifflichkeit der Währungsstabilität von Bedeutung. Da wir in einer offenen Volkswirtschaft leben, werden die Preise auch von der Konjunktur im Ausland und Handelsbeziehungen beeinflusst.
Preisniveaustabilität ist in diesem internationalen Kontext ein Bestandteil der Währungsstabilität. Man unterscheidet zwischen zwei Formen:
Innere Währungsstabilität = Preisniveaustabilität
Äußere Währungsstabilität = Wechselkurs. Sie misst den stabilen Außenwert der Währung.
Mikroökonomischer Preismechanismus
Der gesamtwirtschaftliche Markt einer Volkswirtschaft besteht aus vielen Einzelmärkten. D. h. der gesamtwirtschaftliche Durchschnittswert wird durch die Entwicklungen in der mikroökonomischen Ebene bestimmt. Kennzeichen eines Marktes sind die beiden Bestandteile Angebot und Nachfrage. Der Preismechanismus bringt dann beide Seiten in Einklang. Die Preisfunktionen in einer Volkswirtschaft sind vielfältig.
Neben den Funktionen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage, spielen sie auch für den technologischen Fortschritt, Innovationen und Marktentwicklungen eine Rolle. Damit die Preise alle ihre Funktionen wahrnehmen können, müssen sie flexibel sein. Sind sie starr, verlieren sie ihre Aussagekraft. Von daher besteht eine Diskrepanz zwischen der mikroökonomischen Ebene und der Bedeutung von schwankenden Preisen. Und dem gesamtwirtschaftlichen Ziel einer Preisniveaustabilität.
Makroökonomische Preisniveaustabilität
Vor dem Hintergrund des mikroökonomischen Preismechanismus bedeutet Preisniveaustabilität damit nicht, dass das gesamtwirtschaftliche Preisniveau starr ist.
Sie bezieht sich nicht auf die Entwicklung der Einzelpreise, sondern auf die Stabilität des Durchschnitts der Einzelpreise. Und die stabile Entwicklung des Preisniveaus.
Preisniveaustabilität in der Wirtschaftspolitik
- Preisniveaustabilität: stabile Inflationsrate, (und nicht: Inflationsrate von Null)
- Inflationsrate: Prozentuale Änderungsrate des Preisniveaus im Zeitablauf.
Zwischen mikroökonomischer und makroökonomischer Sicht besteht damit ein zentraler Unterschied hinsichtlich der Funktion von Preisen.
Mikroökonomisch sind flexible Preise und Preisschwankungen unabdingbar für das Funktionieren der Märkte. Makroökonomisch sind Preisschwankungen dagegen unerwünscht. Hierbei ist es unerheblich, ob die Schwankungen nach oben oder unten ausfallen.
Es stellt sich die Frage, welche Gründe dafür sprechen, dass Preisniveaustabilität so ein wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel geworden ist.
Ziel im magischen Viereck: Bedeutung der Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität gehört zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Zielen und ist fest im magischen Viereck verankert. Zusammenfassend kann man sagen, dass Preisniveaustabilität notwendig ist, um den sozialen Frieden zu sichern und das Funktionieren der (sozialen) Marktwirtschaft zu gewährleisten. Hintergrund ist der Zusammenhang zwischen nominalen und realen Größen in der Makroökonomie. Und hierbei vor allem die Verknüpfung der Güter- und Geldmärkte durch das Preisniveau.
Sozialer Frieden
Hierfür ist Preisniveaustabilität eine Voraussetzung. Denn so bleiben die Funktionen des Geldes erhalten und die Wirtschaftssubjekte haben Planungssicherheit in Hinblick auf zukünftige Wirtschaftsentscheidungen. So sparen wir unser Geld, geben es für Reisen aus oder investieren es in die (private) Altersvorsorge. Unser Geld hat zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Kaufkraft. Bleibt das Preisniveau konstant, bleibt auch die Kaufkraft des Geldes konstant. Verändert sich das Preisniveau (Inflation), nimmt auch die Kaufkraft des Geldes ab. Im Extremfall kann man dadurch seine gesamten Ersparnisse verlieren. Die deutschen Erfahrungen aus der Hyperinflation belegen die Bedeutung der Preisniveaustabilität für den sozialen Frieden.
Funktionieren der Marktwirtschaft
Der Preismechanismus regelt in der Volkswirtschaft die ökonomischen Größen. D.h. er bestimmt, wann z.B. Investitionen getätigt werden. Steigt z.B. die Nachfrage bei konstantem Angebot, steigen die Preise. Folglich investieren die Unternehmen, um ihre Kapazitäten und darüber die Produktion und das Angebot zu erhöhen. Denn sie erhoffen sich höhere Gewinne. Steigt nun aber unabhängig von der Nachfrage das gesamtwirtschaftliche Preisniveau, investieren die Unternehmen umsonst. D.h. den Investitionen steht keine Ausweitung der Nachfrage und damit auch keine zukünftigen zusätzlichen Einnahmen gegenüber. Im Extremfall und vereinfacht formuliert könnte diese inflatorische Entwicklung dazu führen, dass Unternehmen zahlungsfähig und insolvent werden. Hierdurch würde die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt negativ beeinflusst werden.
Gründe für Preisniveaustabilität
Im Folgenden gehen wir näher auf die ökonomischen Gründe ein, die für das gesamtwirtschaftliche Ziel der Preisniveaustabilität sprechen. Wie anfangs erläutert, bedeutet Preisniveaustabilität keine Inflationsrate von null. Deshalb zählen zu den Gründen für Preisniveaustabilität die Vermeidung von Inflationskosten infolge einer zu hohen Inflation. Aber auch Gründe für eine Inflationsrate größer Null, um Deflation und andere negative Effekte zu vermeiden.
Inflationskosten
Verlust der Geldfunktionen
Hohe Inflationsraten vermindern die Funktionsfähigkeit des Geldes. Im Extremfall kann Inflation dazu führen, dass das Geld seine Funktion überhaupt nicht mehr erfüllen kann. Beispiele sind hierfür eine Hyperinflation.
Geld besitzt die folgenden drei Funktionen:
Schuhsohlen- und Menükosten
Inflation verursacht Kosten der Geldhaltung. Geldhaltung bedeutet, dass man einen Teil seines Vermögens in Form von Geldmitteln bzw. Geld halten möchte. Hierbei kann es sich z.B. um Bargeld oder Sichteinlagen (Geld auf dem Girokonto) handeln. Je höher nun eine erwartete Inflation auftritt, desto mehr verliert das Geld real an Wert. Man versucht dann als Folge, so wenig Geld wie möglich zu halten. D.h. man wendet Zeit und Ressourcen darauf, sein Geld umzuwandeln. Diese Transaktionskosten fallen umso seltener an, je wertbeständiger das Geld ist. Also keine Inflation vorliegt. Man bezeichnet diese Kosten der Inflation auch als Schuhsohlenkosten.
Außerdem verursacht die Inflation noch sogenannte Menükosten. Hierunter versteht man Kosten, die den Anbietern durch die Bekanntgabe neuer Preise entstehen.
Insgesamt fallen Schuhsohlen- und Menükosten umso höher aus, je höher die Inflationsrate aus. In Anbetracht der heutigen Technologienutzung bei Bankgeschäften halten sich diese Kosten aber im Rahmen.
Planungssicherheit
Eine stabile Entwicklung des Preisniveaus und damit des zukünftigen Tauschwertes des Geldvermögens gilt als eine Voraussetzung für stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. (auch ein Ziel im magischen Viereck!).
Ist diese stabile Entwicklung nicht mehr gegeben, verlieren die Wirtschaftssubjekte ihre Planungssicherheit. Sie werden dann nicht mehr oder weniger sparen. Denn sie können dann nicht mehr einschätzen, ob sich der heutige Konsumverzicht in der Zukunft rechnet. Wenn nun aufgrund des instabilen Preisniveaus weniger gespart wird, bedeutet dies weniger Kapital für Investitionen. Investitionen (Ersparnisse der Wirtschaftssubjekte) werden dann im Ausland getätigt oder nur gegen höhere Zinsen.
Willkürliche Umverteilung
Die Folgen der Inflation (aber auch Deflation!) beinhalten, dass es Gewinner und auch Verlierer gibt. Hierdurch kommt es je nach Höhe der Inflation zu (willkürlicher) Umverteilung. Zum einen vermindert ein instabiles Preisniveau die Bereitschaft zur Vergabe und zur Aufnahme von Krediten. Hierdurch kommt es zu ungerechtfertigten Umverteilungseffekten zwischen Gläubigern und Schuldnern.
Der Staat ist ein weiterer Inflationsgewinner. Dies liegt am relativ hohen Schuldenstand und der progressiven Gestaltung des Einkommensteuertarifs. Aber auch bei einem konstanten Steuersatz kann der Staat von der Inflation profitieren. Hintergrund ist der Zusammenhang zwischen Inflation und Zinsen (vgl. Fisher-Gleichung).
Gründe für eine positive Inflationsrate
Schmiermittelfunktion
Eine moderate Inflation ist gegenüber einer Nullinflation vorzuziehen. Denn ein Anstieg des Preisniveaus erleichtert Anpassungsprozesse auf den Gütermärkten und dem Arbeitsmarkt. Deshalb spricht man von einer Schmiermittelfunktion der Inflation.
Hintergrund auf den Gütermärkten ist der mikroökonomische Preismechanismus. Er bewirkt, dass für einige Güter die Preise ansteigen. Bei einer durchschnittlichen Preisniveausteigerung von null würde dies bedeuteten, dass andere Preise stark sinken müssten. Dies wirft in der Praxis aber erhebliche Probleme auf. Sie sind hauptsächlich auf die nach unten starren Nominallöhnen zurückzuführen. Von daher unterstützt man positive Inflationsrate.
Sicherheitsabstand zur Deflation
Deflation bedeutet, dass das gesamtwirtschaftliche Preisniveau sinkt bzw. eine negative Inflationsrate. Einzelwirtschaftlich bzw. aus Käufersicht mag Deflation positiv sein. Doch gesamtwirtschaftlich ist sie sehr schädlich für eine Volkswirtschaft. Das Stichwort lautet hier „Attentismus“.
Es bedeutet, dass die Wirtschaftssubjekte in der Erwartung sinkender Preise Kaufentscheidungen in die Zukunft verlagern. Im Extremfall kann so gesamtwirtschaftlich die Konjunktur abgewürgt werden, wenn eine sogenannte Deflationsspirale eintritt. Problematisch ist, dass eine Deflation auch auftreten kann, wenn das durchschnittliche Preisniveau steigt. Eben durch den einzelwirtschaftlichen Preismechanismus. Deshalb strebt man eine positive Inflationsrate an. Als Sicherheitsabstand zur Deflation.
Statistik: Überschätzung des gemessenen Preisniveauanstiegs
Für eine positive Inflationsrate sprechen zudem einfache Messprobleme bei der Inflationsrate. So können z.B. Qualitätsänderungen in den Produkten nur schwer in den Preisen abgebildet werden. Außerdem sind die gezahlten Preise im Durchschnitt niedriger als die statistisch erfassten Preise, was auf Preisdifferenzierungsstrategien seitens der Anbieter zurückzuführen ist. Zudem erfolgt die Zusammensetzung des repräsentativen Warenkorbes nicht jährlich. D.h. es ist fraglich, ob die gemessene Inflationsrate das tatsächliche Kaufverhalten der Wirtschaftssubjekte widerspiegelt. Die Differenz zwischen den statistisch erfassten und stattdessen tatsächlich erworbenen Gütern bezeichnet man als substitution bias.
Fisher-Effekt: Problem der Nullzinsgrenze
Nullzinsgrenze bedeutet in der Makroökonomie, dass nominale Zinsen nicht unter null sinken können. Die Grenze ist in einer Rezession von Bedeutung. Denn sie impliziert, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen gelangen kann, wenn sie die Zinsen nicht mehr weiter senken kann, um die Konjunktur anzukurbeln. (vgl. hierzu die aktuelle EZB-Politik und die Diskussion um „Strafzinsen“).
Je höher nun die Inflationsrate ist, desto länger dauert es, bis eine Volkswirtschaft diese Nullzinsgrenze erreicht. Dies wird durch die sogenannte Fisher-Gleichung gezeigt und dem Zusammenhang zwischen Nominal- und Realzinssatz. Der Realzinssatz ist der Nominalzinssatz abzüglich Inflationsrate. D.h. er sinkt, wenn der Nominalzinssatz sinkt oder die Inflationsrate steigt. Für die Entscheidungsfindung der Wirtschaftssubjekte zum Sparen oder zu investieren ist der Realzinssatz von Bedeutung.
Aus diesem Grund ist ebenfalls eine positive Inflationsrate zu präferieren. Um so einen höheren konjunkturpolitischen Spielraum zu haben.
Fazit: Bestimmung der optimalen Inflationsrate
Das Ziel der Preisniveaustabilität bedeutet eine positive und zugleich stabile Inflationsrate in der mittleren und langen Frist. Kurzfristig kann es aufgrund des einzelwirtschaftlichen Preismechanismus durchaus zu Schwankungen kommen. Weiter stellt sich die Frage, wie hoch die optimale Inflationsrate. Hierfür gibt es keine eindeutige Antwort. Es ist von den ökonomischen Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft abhängig, wie hoch der Sicherheitsabstand zur Deflation sein muss. Oder wie hoch die Inflation ausfallen kann, ohne dass die Inflationskosten überwiegen.
Durch Erfahrungswerte und zahlreiche Studien hat sich aber ein gewisses Muster gezeigt:
In langsam wachsenden und wirtschaftlich weit entwickelten Volkswirtschaften scheint eine Inflationsrate unter 1 % und über 4 % als nicht vereinbar mit dem Ziel der gesamtwirtschaftlichen Preisniveaustabilität. Insofern liegt das Ziel von Deutschland eine Inflationsrate von knapp unter 2 % zu haben im Korridor.
Zusammenfassung
- Preisniveaustabilität: stabile Inflationsrate, (und nicht: Inflationsrate von null).
- Inflationsrate: Prozentuale Änderungsrate des Preisniveaus im Zeitablauf.
- Hohe Bedeutung des Ziels der Preisniveaustabilität: Sicherung sozialer Frieden und Funktionieren der Marktwirtschaft.
- Mikroökonomie: Flexible Preise gewünscht, um Preisfunktionen zu gewährleisten. Makroökonomie: Konstantes Preisniveau wird angestrebt.
- Preisniveaustabilität verlangt eine „optimale Inflationsrate“. Sie darf nicht zu hoch, aber auch nicht zu niedrig sein. Der Korridor liegt in entwickelten Volkswirtschaften zwischen 1 % bis 4 %.
- In Deutschland liegt die angestrebte Inflationsrate zur Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Preisniveaustabilität bei knapp unter 2 %.